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Geliebter Fremder

Geliebter Fremder

Titel: Geliebter Fremder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Ihnen, dass Sie die Provinzautonomie für die Eingeborenen ablehnen.«
    »Ich habe meine Meinung geändert«, schnappte Hunter.
    »Die Inder haben bewiesen, dass sie noch nicht bereit dafür sind, eine solche Verantwortung zu tragen«, führte Tyler weiter aus. »Eine Gesellschaft, in der Witwen verbrannt, Kinder getötet und Götzen verehrt werden …«
    »Und nichts davon hat sich durch das Eingreifen der Briten verändert«, erwiderte Hunter, ohne auf das erschreckte Gemurmel am Tisch zu achten.
    »Was ist mit dem Christentum? Wahrscheinlich wollen Sie auch noch behaupten, dass die Inder auch davon nicht profitiert haben?«
    Hunter zuckte mit den Schultern. »Lasst sie doch ihre Götter haben. Sie sind Jahrhunderte lang gut mit ihnen klargekommen. Ich bezweifle, dass der durchschnittliche Hindu oder Moslem schlimmer ist als die so genannten Christen, die ich kenne.«
    Die ganze Tischgesellschaft erstarrte bei dieser gotteslästerlichen Bemerkung.
    Darin brach Captain Tyler in Lachen aus und löste damit die Spannung. Alle lächelten und beschlossen, die Debatte als Witz abzutun.
    Der Rest des Abends verlief ohne Zwischenfälle, obwohl Lara kaum den Blick von ihrem Mann wenden konnte.
    Sie hatte nur selten mit Hunter über Politik diskutiert, da er kein Interesse an der Meinung einer Frau zu solchen Themen gezeigt hatte. Es bestand jedoch kein Zweifel, dass er früher das Eingreifen der Briten in Indien mit ganzem Herzen gebilligt hatte. Wie kam es, dass er jetzt auf einmal die entgegengesetzte Haltung einnahm?
    Es dauerte eine Ewigkeit, bis das Abendessen endlich vorbei war. Anschließend wurden noch Port und Tee gereicht und die Gäste blieben bis nach Mitternacht. Endlich jedoch war auch der Letzte gegangen und die Dienstboten räumten den Tisch ab. Lara versuchte, auf ihr Zimmer zu entkommen, da sie dachte, Hunter habe zu viel getrunken, um überhaupt zu merken, wohin sie ging. Sie hatte gerade die Freitreppe erreicht, als er sie am Arm packte.
    Lara wirbelte herum, das Herz schlug ihr bis zum Hals. Hunter roch nach Portwein, seine Augen waren glasig, sein Gesicht gerötet und er schwankte leicht. »Betrunken wie ein Kaiser«, hätte ihr Vater gesagt. Manche Männer waren in diesem Zustand sanft wie die Lämmer, während andere laut und unangenehm wurden. Hunter war nichts von beidem. Er hatte den Mund trotzig verzogen und sein Gesichtsausdruck war gefährlich finster.
    »Wohin gehst du?«, fragte er und hielt sie fest.
    Erschreckt stellte Lara fest, dass er darauf bestehen wollte, den Handel noch heute Abend zu erfüllen. Sie musste einen Weg finden, um ihn abzuschütteln. Wenn er in diesem Zustand war, würde sie sich ihm nicht in einem durchsichtigen Negligee zeigen. Die schlimmsten Nächte ihres Lebens hatten damit begonnen, dass er zu viel getrunken und sie dann gezwungen hatte, mit ihm zu schlafen. »Ich dachte, ich lasse dich noch in Ruhe ein oder zwei Gläser Port trinken«, erwiderte sie und verzog ihre bebenden Lippen zu einem Lächeln.
    »Du hast gehofft, ich würde mich bis zur Besinnungslosigkeit betrinken«, sprach er ihre heimlichen Gedanken aus, wobei er sie spöttisch anlächelte. »So viel Glück hast du leider nicht, meine Süße.«
    Er begann, sie die Treppe hochzuziehen, wie ein Tiger, der seine Beute an einen Ort schleppt, wo er sie in Ruhe verzehren kann. Unglücklich stolperte Lara neben ihm her. »Du warst heute Abend nicht du selbst«, sagte sie.
    Dann allerdings fiel ihr ein, dass er niemals so ganz er selbst war – man wusste nie, was man von ihm zu erwarten hatte. »Warum hast du Captain Tyler so angegriffen?«
    »Ach ja, die Tylers.« Seine Stimme klang beherrscht, aber jedes Wort traf sie wie ein Peitschenschlag. »Sag mir, meine Liebe … wie kam es, dass sie heute Abend eingeladen waren?«
    »Sie haben Morland Manor gemietet«, erwiderte Lara unbehaglich. »Ich hörte davon, dass Captain Tyler in Indien gedient hatte, und ich dachte, du würdest dich freuen, ihn kennen zu lernen.«
    Sie waren oben an der Treppe angekommen und er zwang sie, ihn anzusehen. Lara zuckte zusammen, als sie seinen Blick erwiderte. Er blickte sie so wütend und anklagend an, als ob sie ihn betrogen hätte.
    »Hunter«, sagte sie leise, »was habe ich falsch gemacht?«
    Seine Wut ließ ein wenig nach, nur seine Augen glitzerten noch gefährlich und offensichtlich kämpfte er gegen hässliche Erinnerungen an. »Keine Überraschungen mehr«, murmelte er und schüttelte sie leicht. »Ich mag das

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