Geliebter Fremder
Tag verderben. »Morgen ist schon für Lady Grayson reserviert.«
»Schämst du dich denn gar nicht?«, fauchte seine Mutter.
»Nur selten. Ich dachte, das wüsstest du.«
Isabel verbiss sich ein Lächeln und wandte rasch den Blick ab. Er schaffte es irgendwie, nicht die Miene zu verziehen.
»Was ist denn so wichtig, um schon wieder unsere Gastgeber zu enttäuschen?«
»Wir fahren morgen nach Waverly Court.«
»Ach.« Ihre Mutter sah ihn stirnrunzelnd an. Ihre übliche Miene hatte bereits tiefe Falten in ihrem Gesicht hinterlassen und wirkte wie eingeätzt. »Dahin würde ich auch gern. Ich war schon seit Jahren nicht mehr dort.«
Gerard schwieg einen Moment, weil ihm einfiel, dass seine Eltern eine Zeit lang dort gewohnt hatten. »Dann kannst du uns gerne begleiten.«
Ihr plötzliches Lächeln erschreckte ihn fast, so sehr veränderte es ihr Gesicht. Aber es verschwand so schnell, wie es gekommen war. »Dann gesell dich jetzt zu den anderen Gästen, Grayson, und benimm dich deinem Stand entsprechend.«
Sie ging, und er sah ihr kopfschüttelnd nach. »Ich hoffe, du kannst ihre Missbilligung ignorieren.«
»Mit dir an meiner Seite kann ich das«, erwiderte Isabel leichthin, dabei erschütterte ihn ihre Äußerung bis ins Mark.
Er brauchte einen Augenblick, um sich wieder zu fassen, dann breitete sich ein Grinsen über seinem Gesicht aus.
Kein Zweifel: Heute konnte ihm nichts den Tag verderben.
»Typisch von Lady Hammond, uns als Paar einzuteilen«, murrte Rhys und eilte den Waldweg hinauf.
»Mir wird ganz schwindelig bei der Vorstellung, mit dir die Schnitzeljagd zu machen«, scherzte sie. »Es tut mir furchtbar leid, wenn du nicht dasselbe empfindest.«
Er warf ihr einen so glühenden Seitenblick zu, dass ihre Haut zu brennen anfing. »Nein. ›Schwindelig‹ würde ich es nicht gerade nennen.«
Das trockene Laub knirschte bei jedem seiner Schritte. In seiner dunkelgrünen Kluft sah er umwerfend aus. Wieder einmal staunte sie, das so ein kühnes männliches Wesen sie aufregend finden konnte, doch es war eindeutig, dass der Marquess so empfand. Und darüber ziemlich aufgebracht war.
»Wenn ich was zu sagen hätte«, grollte er, »dann würde ich dich drüben auf die Lichtung zerren und von Kopf bis Fuß ablecken.«
Abby blickte starr geradeaus, weil sie nicht wusste, was eine Frau auf so eine Aussage hin sagen sollte. Stattdessen betrachtete sie das Blatt Papier in ihrer zitternden Hand und sagte: »Wir brauchen einen glatten Stein. Hinter der Biegung ist ein Fluss.«
»Das Kleid, das du da anhast, ist verstörend.«
»Verstörend?« Es war eines ihrer schönsten Kleider, aus weichem rosafarbenem Musselin mit burgunderfarbener Satineinfassung am tief ausgeschnittenen Mieder. Sie hatte es nur für ihn angezogen, obwohl sie meinte, dass ihr Busen eigentlich zu klein dafür war.
»Ich weiß, ich muss nur daran ziehen, dann kommen deine Brustwarzen heraus, und ich kann an ihnen saugen.«
Sie drückte eine Hand auf ihr heftig klopfendes Herz. »Oh mein Gott. Das ist aber sehr ungezogen.«
Er schnaubte. »Nicht mal annähernd so, wie ich gerne wäre. Wenn ich dich an einen Baum nagelte und dir an die Wäsche ginge, träfe es das schon eher.«
»Mir an die Wäsche –« Sie blieb stolpernd stehen, da ihr gesamter Körper auf diese Vorstellung reagierte. »Aber es ist helllichter Tag!«
Rhys merkte erst nach ein paar Schritten, dass sie zurückgefallen war – so sehr war er in Gedanken versunken. Er drehte sich zu ihr um. Sein Haar glänzte im Licht, das durch die Blätter drang. »Sind deine Nippel im Tageslicht anders? Riechst du anders? Ist deine Haut weniger weich? Ist deine Spalte weniger feucht und eng?«
Sie schüttelte heftig den Kopf, weil sie kein Wort hervorbrachte.
Er sah sie durchdringend an. »Ich muss morgen abreisen, Abby. Ich darf nicht hierbleiben und dich ständig verführen. Dich mir anzuvertrauen ist, als würde man dem Wolf ein Lamm in Obhut geben. Es ist pervers.«
Obwohl sie versuchte, immer an den Rat ihrer Mutter zu denken, konnte sie es einfach nicht. Ihr tat das Herz weh. Sie konnte nur hoffen, dass man es ihr nicht ansah.
»Ich verstehe«, sagte sie tonlos, und plötzlich erschien ihr der Tag grau.
Warum hatte dieser Mann eine solche Wirkung auf sie?
Nachdem sie ihn in der Nacht zuvor allein gelassen hatte, hatte sie stundenlang im Bett gelegen und darüber nachgedacht. Am Ende hatte sie entschieden, dass es an einer Mischung mehrerer Dinge lag: einiger äußerer,
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