Geliebter Fremder
wie zum Beispiel an seinem guten Aussehen und seinem Charme, und einiger innerer, wie zum Beispiel seiner Neigung, sich an ihren Entdeckungen über die Beziehung zwischen Männern und Frauen zu freuen. Bei ihm fühlte sie sich nicht linkisch. Sie war begehrenswert, witzig und klug. Rhys fand es »wunderbar«, dass sie wissenschaftliche Studien betrieb. Er hatte sogar ihre tintenbeschmierten Finger geküsst, als fände er sie schön.
Er war bekannt für seine bis an Gleichgültigkeit grenzende Nonchalance und seine festgefahrenen Ansichten, doch Rhys schlief nur – er war nicht tot. Sie sehnte sich danach, ihn wiederzubeleben, aber sie wusste, in seinem Pflichtgefühl seinem Titel gegenüber würde er das niemals zulassen.
Es würde das Beste sein, wenn er ginge.
»Es wäre das Beste, wenn du gingest.«
Eine ganze Weile starrte er sie reglos an, sodass es sie vollkommen unerwartet traf, als er sich auf sie stürzte und sie packte. Er vergrub die Hände in ihren Haaren und küsste sie mit ungezügelter Leidenschaft. Seine drängende Zunge raubte ihr den Atem und den Verstand.
»Deinetwegen vergesse ich mich«, sagte er, dicht an ihren geschwollenen Lippen. »Es treibt mich in den Wahnsinn, wenn du mich einfach so wegschickst.«
»Ganz offensichtlich bist du wahnsinnig«, zischte eine vertraute weibliche Stimme.
Rhys stöhnte auf. »Zur Hölle!«
»Das muss man Ihnen lassen, Trenton«, sagte Lord Grayson. »Sie haben mir den Tag verdorben.«
Kapitel 17
»Mir fehlen die Worte, Rhys«, schalt Isabel und starrte ihren Bruder an.
Gray lehnte sich zu ihr und murmelte: »Ich bringe Hammonds Nichte zurück, dann kannst du ungestört mit Trenton reden.«
»Danke.« Sie blickte ihn kurz an und drückte dankbar seine Hand. Dann sah sie zu, wie er das offensichtlich verwirrte Mädchen am Arm fasste und den schmalen Pfad hinunterführte. Sie wandte sich an Rhys. »Hast du den Verstand verloren?«
»Ja. Mein Gott, ja!« Missgelaunt trat er gegen eine Baumwurzel, die ein Stück aus der Erde herausragte.
»Ich weiß, du warst aufgebracht, als wir London verließen, doch dieses Kind zu benutzen, um dich abzureagieren –«
»Dieses ›Kind‹ ist genauso alt wie dein Ehemann«, erwiderte er trocken, woraufhin sie erschrocken aufkeuchte.
»Ach …« Sie biss sich auf die Unterlippe und fing an, unruhig hin- und herzugehen.
In letzter Zeit vergaß sie öfter den Altersunterschied zwischen ihnen. Als sie Grayson heiratete, hatte man sich den Mund darüber zerrissen, dass sie älter war, doch sie hatte es ignoriert. Nun unterhielt sie allerdings definitiv einen jüngeren Mann im Bett.
Aber darüber konnte sie jetzt nicht nachdenken.
»Wage es nicht, euch mit uns zu vergleichen.« Sie hob das Kinn. »Grayson ist in solchen Dingen weitaus erfahrener, während Miss Abigail offensichtlich vollkommen unschuldig ist.«
»Du konntest ziemlich gut abgelenkt werden«, murmelte er.
»Ha!« Sie schüttelte den Kopf und sagte dann ernster: »Bitte sag nicht, du hättest sie ins Bett gezerrt, Rhys.«
Seine Schultern sackten nach vorn.
»Guter Gott!« Isabel hielt inne und starrte ihren Bruder an, als wäre er ein Fremder. Der Rhys, den sie kannte, hätte sich niemals für einen unschuldigen Blaustrumpf interessiert. »Wie lang geht das schon so?«
»Ich hab sie bei diesem verdammten Frühstück kennengelernt, zu dem du mich gezerrt hast«, knurrte er. »Das alles ist deine Schuld.«
Sie blinzelte. Wochen. Es ging schon Wochen so und nicht nur Tage. »Ich versuche, es zu verstehen. Nicht, um es gutzuheißen«, fügte sie rasch hinzu. »Nur, um es nachvollziehen zu können. Aber ich kann nicht.«
»Erwarte nicht von mir, es dir zu erklären. Ich weiß nur, dass mein Verstand stillsteht, sobald ich in ihrer Nähe bin. Dann werde ich zum brünstigen Tier.«
»Wegen Abigail Stewart?«
Sein finsterer Blick sprach Bände. »Ja, wegen Abigail. Verdammt, warum sieht niemand ihren Wert? Ihre Schönheit?«
Mit großen Augen musterte sie ihn und bemerkte, dass seine Wangen errötet waren und seine Augen glänzten. »Bist du in sie verliebt?«
Seine Verblüffung wäre zum Lachen gewesen, hätte sie sich nicht solche Sorgen gemacht. »Ich begehre sie. Ich bewundere sie. Ich unterhalte mich gerne mit ihr. Ist das Liebe?« Er schüttelte den Kopf. »Eines Tages übernehme ich den Titel und muss meine eigenen Wünsche hinter das Wohl des Fürstentums stellen.«
»Was machst du dann hier allein mit ihr im Park? Dieser Weg ist gut besucht.
Weitere Kostenlose Bücher