Geliebter Fremder
Sie entriss sich ihm, ihre Brust brannte von seiner Berührung. »Ich begehre dich nicht.«
»Und ich hab dich immer wegen deiner Aufrichtigkeit bewundert«, spöttelte er sanft.
Isabel starrte Gray an und sah seine Entschlossenheit. Der dumpfe Schmerz in ihrer Brust war ihr so vertraut, ein Nachhall der Hölle, die Pelham ihr hinterlassen hatte.
»Was ist bloß mit dir passiert?«, fragte sie, traurig über den Verlust des Wohlgefühls, das sie einst bei ihm empfunden hatte.
»Mir sind die Augen geöffnet worden, Pel. Und ich habe gesehen, was mir fehlt.«
Kapitel 3
Nachdem Gerard angemessen ausgestattet war, schob er den Vorhang beiseite und trat hinaus in den Verkaufsraum. Er entdeckte Isabel sofort. Sie stand am Schaufenster, und hereinfallende Sonnenstrahlen ließen ihr Haar feurig aufleuchten. Der Kontrast zwischen der feuerroten Mähne und ihrem eisblauen Kleid war atemberaubend und sehr passend. Die Hitze ihres Verlangens hatte ihn versengt, doch ihre Worte ließen ihn frösteln. Tatsächlich überraschte es ihn, dass sie die zwei Stunden gewartet hatte, in denen der Anzug des anderen Kunden geändert worden war. Er hatte schon halb damit gerechnet, dass sie gehen würde. Aber Pel drückte sich nicht vor unangenehmen Dingen. Sie sprach vielleicht nicht gerne darüber, doch sie rannte auch nicht davor weg. Das war eine ihrer bemerkenswerten Eigenschaften, die er ziemlich mochte.
Er seufzte und verfluchte sich, sie zu sehr bedrängt zu haben. Aber es ging nicht anders. Er verstand sie nicht, und ohne sie zu verstehen, konnte er keine Wiedergutmachung leisten. Warum bestand sie so hartnäckig darauf, dass sie nichts Tiefergehendes verband? Wieso begehrte sie ihn, wusste, dass auch er sie begehrte, und weigerte sich, dem nachzugeben? Es sah Isabel gar nicht ähnlich, sich den Freuden des Fleisches zu verweigern. Konnte es sein, dass sie ihren gegenwärtigen Galan liebte? Bei der Vorstellung ballte er unwillkürlich die Fäuste. Gerard wusste nur zu gut, dass man jemanden lieben und sich doch körperlich zu einem anderen hingezogen fühlen konnte.
Bei dem Gedanken verfluchte er sich innerlich. Offensichtlich hatte er sich doch nicht so sehr verändert. Schließlich hatte er seine Frau betatscht. Was zum Teufel war nur los mit ihm? Ein Gentleman behandelte eine Frau so nicht. Er sollte sie umwerben, anstatt sie bespringen zu wollen.
Als er zu ihr ging, rief er ihren Namen, um sie nicht zu erschrecken. »Lady Grayson.«
Pel drehte sich mit einem reizenden Lächeln zu ihm um. »Mylord. Ihr seht sehr schneidig aus.«
So lief es also? Man tat so, als wäre nichts passiert?
Er lächelte, so charmant er konnte, und hob ihre behandschuhte Hand an seine Lippen. »Um eine schöne Frau wie dich zu begleiten, ist das auch nötig, meine liebe Isabel.«
Ihre Hand zitterte leicht in seiner, und als sie sprach, klang ihre Stimme etwas belegt. »Du schmeichelst mir.«
Er wollte viel mehr als ihr nur schmeicheln, doch das würde warten müssen. Er schob ihre Hand unter seinen Arm und führte sie zur Tür.
»Selbst ich kann nicht mit dir mithalten«, sagte sie, als er ihren Strohhut von dem Angestellten in Empfang nahm und ihn ihr unbefangen aufsetzte. Die Türglocke ertönte, und er trat mit dem Rücken zur Straße näher zu ihr, um den neuen Kunden vorbeizulassen. Die Luft flirrte zwischen ihnen. Pel schoss die Röte ins Gesicht, und er spannte jeden Muskel an.
»Du brauchst eine Geliebte«, hauchte sie und sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
»Ich brauche keine. Ich habe eine Frau, die mich begehrt.«
»Schönen guten Tag, Mylord«, rief der Angestellte und kam um die Verkaufstheke.
Gerard führte sie zur Seite und bot ihr erneut seinen Arm. Da er jetzt zur Tür blickte, bemerkte er den distinguierten Gentleman, der ihn so entsetzt anstarrte, dass er sofort wusste, wer das war. Und was er gehört haben musste.
»Guten Tag, Lord Hargreaves.« Seine Finger umschlossen Pels Hand auf seinem Arm, um seinen Anspruch unmissverständlich klarzumachen. Er war nie besitzergreifend gewesen. Nun runzelte er die Stirn und versuchte zu ergründen, warum er sich plötzlich so fühlte.
»Guten Tag, Lord und Lady Grayson«, antwortete der Earl steif.
Isabel richtete den Oberkörper auf. »Lord Hargreaves, es ist mir ein Vergnügen.«
Aber das war es für niemanden von ihnen. Die Anspannung war geradezu spürbar. »Entschuldigen Sie uns«, sagte Gerard, als Hargreaves nicht den Weg freigeben wollte. »Wir wollten
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