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Geliebter Fremder

Geliebter Fremder

Titel: Geliebter Fremder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Day
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in ihrer warmen goldenen Pracht Emily in ihm wachgerufen, Erinnerungen, die er zuerst fürchtete. Jeder Morgen mahnte ihn, dass wieder ein neuer Tag angebrochen war, den sie nicht mehr erleben konnte. Später war die Wärme der Sonne ein Segen gewesen – und eine Mahnung, dass er noch einmal die Chance hatte, ein besserer Mensch zu werden.
    Aber die Sonnenuntergänge hatten immer Pel gehört. Der dunkler werdende Himmel und die wohltuende Nacht, die seine Fehler verhüllte – das war Isabel, die niemals nachbohrte. Der Genuss eines Betts und die Augenblicke, in denen er die Anspannung des Tages loslassen konnte – das war auch Isabel, die auf ihrer Chaiselongue in ihrem Boudoir lag. Wie seltsam, dass ihre unbeschwerte Gesellschaft ihm nun so viel bedeutete und er sie damals nie wirklich wahrgenommen hatte.
    »Du solltest deine goldenen Worte für eine weniger abgeklärte Frau aufsparen.«
    »Liebe Pel«, murmelte er lächelnd, »ich finde es herrlich, dass du so abgeklärt bist. Du hast keinerlei Illusionen über meinen mehr als fragwürdigen Charakter.«
    »Über deinen Charakter kann ich nichts mehr sagen.« Sie entzog sich ihm, und er ließ sie los. Dann richtete sie sich auf und blickte sich in dem kleinen Laden um. Als sie sah, dass der Angestellte damit beschäftig war, ihr Geschäft schriftlich zu fixieren, sagte sie: »Ich weiß nicht, warum du solche Dinge zu mir sagst, Gray. Meines Wissens hattest du mir gegenüber nie solche romantischen – oder auch sexuellen – Anwandlungen.«
    »Welche Farbe haben die Blumen vor unserem Haus?«
    »Wie bitte?«
    »Die Blumen. Weißt du, welche Farbe sie haben?«
    »Sie sind rot.«
    Er zog die Augenbraue hoch. »Ganz sicher?«
    Sie verschränkte die Arme und zog ebenfalls die Augenbrauen in die Höhe. »Ja, ich bin ganz sicher.«
    »Und die Blumen in den Töpfen an der Straße?«
    »Was?«
    »In den Töpfen an der Straße sind auch Blumen. Weißt du, welche Farbe sie haben?«
    Isabel biss sich auf die Unterlippe.
    Gerard zog sich den Handschuh aus und zupfte dann sanft an ihrer vollen Unterlippe. »Und?«
    »Sie sind rosa.«
    »Nein, blau.«
    Er streckte die Hand aus und strich mit dem Daumen über die helle Haut ihrer Schulter. Die Hitze ihres Körpers brannte sich durch seine Fingerspitzen, breitete sich in seinem Arm aus und entzündete ein Verlangen in ihm, das er seit Jahren nicht mehr gespürt hatte. So lang war er innerlich taub und kalt gewesen. Diese Hitze zu spüren, zu wünschen, unter ihrer Berührung aufzulodern, sich danach zu sehnen, in ihr zu verbrennen – all das genoss er zutiefst.
    »Es sind blaue Blumen, Pel.« Seine Stimme war heiserer, als ihm lieb war. »Ich habe Menschen kennengelernt, die alles, was sie täglich sehen, für selbstverständlich halten. Aber nur, weil man etwas nicht sieht, heißt das noch nicht, dass es auch nicht da ist.«
    Sie bekam eine Gänsehaut. Er spürte es, trotz seiner Schwielen.
    »Bitte.« Sie fegte seine Hand weg. »Lüg jetzt nicht und rasple Süßholz, um der Vergangenheit etwas unterzuschieben, was du dir nun in der Gegenwart wünschst. Wir haben einander nichts bedeutet, gar nichts. Und ich wollte es so. Mir gefiel es so.« Sie zerrte sich den Ring vom Finger und legte ihn auf die Verkaufstheke.
    »Wieso?«
    »Wieso was?«, fragte sie zurück.
    »Ja, mein geliebtes Weib, wieso? Warum gefiel dir, dass unsere Ehe eine Farce war?«
    Sie erdolchte ihn mit Blicken. »Dir hat es doch auch gefallen.«
    Gerard lächelte. »Ich weiß auch, warum es mir gefiel, aber jetzt sprechen wir über dich.«
    »Hier bitte, Lord Grayson«, sagte der Angestellte mit breitem Lächeln.
    Im Stillen wegen der Unterbrechung fluchend, tauchte Gerard die ihm angebotene Feder in ein Tintenfass und unterschrieb die Rechnung. Er wartete, bis der Ring eingepackt und sicher in der Innentasche seines Mantels verstaut war, bevor er Isabel erneut ansah. Wie schon beim Schneider stand sie stocksteif am Fenster und sah hinaus. Jeder Zentimeter ihrer kurvenreichen Gestalt verriet ihren Zorn. Er schüttelte den Kopf und dachte unwillkürlich, dass all ihre gezügelte Leidenschaft ungenutzt war. Was zum Teufel machte Hargreaves – oder besser gesagt: machte er nicht –, dass sie so leicht in Wallung geriet? Einen anderen Mann hätte ihre stocksteife Haltung vielleicht entmutigt. Gerard nahm es als Zeichen der Hoffnung.
    Angezogen von der Lebendigkeit, die jeden bannte, ging er zu ihr. Er blieb dicht hinter ihr stehen, atmete ihren Duft ein und

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