Geliebter Fremder
verheißungsvoll angelächelt hatten. Jede Einzelne von ihnen war sich so sicher gewesen, dass es Isabel nichts ausmachte. Warum auch? Sie hatte schließlich Hargreaves, und früher hatte sie sich nie daran gestoßen. Doch Fakt war: Nun störte es sie. Ihr kochte das Blut in den Adern, wenn sie daran dachte, dass eine dieser Frauen schon bald mit Gray das Bett teilen würde. Obwohl Isabel nur ein Hemdchen und eine Korsage trug, wurde ihr heiß vor Zorn.
Sie schloss die Augen, während ihre Zofe ihr Haar hochband und es in kurzen Löckchen um ihr Gesicht arrangierte, wie es gerade der Mode entsprach. Da klopfte es leise, und die Tür ging auf. Es störte sie etwas, dass er nicht auf ihr Herein gewartet hatte, doch noch mehr störte es sie, an welche Tür geklopft worden war. Als sie die Augen öffnete und zur Seite blickte, sah sie, dass Gray vom angrenzenden Schlafzimmer her eintrat.
»Was …?«, stieß sie hervor.
Er holte tief Luft und fläzte sich dann auf ihre Lieblingschaiselongue. »Du siehst betörend aus«, sagte er, als wäre es vollkommen normal, dass er vom Schlafzimmer aus eintrat. »Oder besser: betörbar. Gibt es das Wort, Pel? Wenn nicht, sollte es erfunden werden, mit dir als Beispiel.«
Seit ihrer Eheschließung hatte er ein Schlafzimmer weiter den Flur hinunter gehabt. Sie hatte ihm angeboten, im Gästetrakt zu schlafen, da es schließlich sein Haus und ihre Ehe nur eine Farce war, aber er hatte entgegnet, sie verbringe viel mehr Zeit in diesem Haus als er. Was stimmte. Sie schlief jede Nacht in ihrem eigenen Bett. Gray hingegen übernachtete manchmal tagelang nicht zu Hause.
Der Gedanke daran brachte sie in Rage. »Was hast du da gemacht?«
Er blinzelte sie unschuldig an. »Wonach mir war. Wieso?«
»Außer den Möbeln ist es doch leer.«
»Im Gegenteil«, sagte er langsam. »Dort hab ich die meisten meiner Sachen. Zumindest die, die ich am häufigsten benutze.«
Sie krallte sich an ihrer Frisierkommode fest. Die Vorstellung, dass Gray im Nebenzimmer schlief, erregte sie augenblicklich. Sie stellte sich seinen nackten Körper vor, so wie sie ihn beim Schneider gesehen hatte. Sie fragte sich, ob er auf dem Bauch schlief, seine kräftigen Arme um ein Kissen geschlungen hatte und dieser pralle, feste Hintern unbedeckt blieb. Oder schlief er auf dem Rücken? Noch immer spürte sie, wie er am Tag zuvor seinen Schwanz an ihren Po gedrückt hatte. Seine lange, heiße Härte … Nackt … Grays umwerfender Körper, im Schlaf entspannt … zwischen zerknüllten Laken …
Oh Gott …
Sie schluckte hart und wandte die Augen ab, bevor er ihre Gedanken lesen oder ihren inneren Aufruhr bemerken konnte.
»Bartley hat ein Huhn geerbt.«
»Wie bitte?« Isabel schaute wieder zu ihrem Mann. Wie am Abend zuvor war er nur in Hose und Hemdsärmeln, ein reizvoller Anblick, was er sicherlich wusste. Sie würden über seinen Umzug ins Schlafzimmer nebenan reden müssen, doch jetzt hatte sie nicht den Mut, es anzusprechen. Sie hatte bereits eine Auseinandersetzung vor sich, da sie Hargreaves treffen würde.
»Bartleys Tante war ziemlich exzentrisch«, erklärte er und streckte sich auf der Liege aus. »Sie hielt sich ein Huhn als Haustier. Als er sie das letzte Mal besuchte, war sie so entzückt von ihrem Huhn, dass er meinte, ihr beipflichten zu müssen, und behauptete, es sei das schönste Huhn, das er je gesehen habe.«
»Ein schönes Huhn?« Ihre Lippen zuckten.
»Du sagst es.« Sie hörte das Lächeln in seiner Stimme. »Als sie starb, vermachte sie Teile ihres Besitzes an ihre zahlreichen Verwandten und –«
»Bartley bekam das Huhn.«
»Genau.« Ihre Blicke trafen sich im Spiegel, als sie aufstand, um ihr Abendkleid anzuziehen. »Nein, lach nicht, Pel. Das ist nicht komisch, weißt du.«
Ihre Zofe unterdrückte ein Kichern.
»Nein, natürlich nicht«, sagte Isabel ernst und bezwang sich.
»Die arme Kreatur ist verrückt nach Bartley. Aber Hühner haben ja auch nur erbsengroße Gehirne.«
»Gray!«, rief sie lachend.
»Offenbar kann er nicht mehr in seinen Garten. Kaum tritt er ins Freie, fängt es schon an zu gackern.« In einer einzigen flüssigen Bewegung sprang Gray auf und breitete die Arme aus. »Dann kommt es ihm freudig und mit gespreizten Flügeln entgegen und stürzt sich in die Arme seines Geliebten.«
Ihre Zofe und sie brachen in lautes Gelächter aus.
»Das hast du erfunden!«
»Nein, habe ich nicht. Obwohl ich zugebe, dass die Fantasie manchmal mit mir durchgeht«, antwortete
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