Geliebter Lord
seines Alters.« Er blickte ins Leere. »Ich hätte mir gerne seine Leber und die Eingeweide angesehen«, sagte er verträumt.
»Mary wusste nicht, dass Gordon bei dem Arzt in Behandlung war«, sagte Hamish.
»Das behauptet sie«, warf Brendan ein. Hamish starrte seinen Bruder entgeistert an. »Ich gebe nur wieder, was die Leute denken«, erklärte der.
»Sie wusste es nicht.«
»Eure Loyalität gegenüber Mrs. Gilly ist löblich«, sagte Marshall, »aber Ihr habt keinen Beweis dafür, dass sie ihren Mann nicht vergiftet hat.«
»Sie hat es nicht getan«, sagte Hamish entschieden.
Hatten sie denn nicht den Ausdruck des Entsetzens in ihren Augen gesehen, als sie begriff, was geschehen war? Er hatte sie die ganze Zeit beobachtet und genau erkannt, wann ihr dämmerte, dass sie möglicherweise unwissentlich zu Gordons Tod beigetragen hatte.
»Die Verantwortung für den Tod eines anderen Menschen ist eine schwere Bürde«, sagte der Geistliche. »Davon könnte nur Gott sie befreien.«
Hamish fragte sich, ob Marshall wohl eine Predigt folgen lassen würde, doch der Mann richtete seine Aufmerksamkeit dankenswerterweise auf seinen, Hamishs, Arm.
»Ist der lahme Arm die Verletzung, die Ihr während Eurer Gefangenschaft erlitten habt?«, erkundigte Marshall sich.
Brendan hatte ihm offenbar von Indien erzählt. Was hatte sein Bruder dem Gottesmann wohl sonst noch enthüllt? Hamish nickte, beschloss aber, nicht zu erläutern, dass der Zustand seines Arms das Ergebnis von Folter war.
»Darf ich Euch untersuchen?«, fragte der Prediger.
»Hier?« Hamish blickte um sich. Es waren zwar nur wenige Gäste anwesend, doch eine Wirtsstube erschien ihm trotzdem nicht als der passende Ort dafür.
»Ich verlange ja nicht, dass Ihr Euch frei macht«, erwiderte Marshall. »Es genügt völlig, wenn Ihr den Ärmel hochkrempelt.«
Widerstrebend stand Hamish auf, zog seinen Rock aus, krempelte den Ärmel hoch und setzte sich wieder.
»Könnt Ihr den Arm bewegen?«, wollte der Prediger wissen, nachdem er sich die Narben angesehen hatte.
»Nein – aber es hat angefangen, in meinen Fingern zu kribbeln. Ich glaube, das verdanke ich Mrs. Gilly. Sie hat den Arm mit einer Salbe behandelt und mir aufgetragen, diese dreimal täglich einzumassieren.«
»Habt Ihr es getan?«
»In den letzten Tagen nicht«, antwortete Hamish trocken. »Ich hatte andere Dinge im Kopf.«
»Ihr müsst wieder damit anfangen. Von allein wird der Arm nicht gesund.«
Hamish trank einen Schluck Whisky. »Mary meinte, dass ein paar Behandlungen mit Eurem elektrischen Apparat vielleicht etwas bewirken würden.«
»Sie hat die Niederschrift über meine Experimente also gelesen«, folgerte Marshall erfreut und schloss eine Erklärung der Wirkungsweise an, die zu einer Muskelaktivität führen könnte.
Hamish hörte nur mit halbem Ohr zu, denn er war in Gedanken bei Mary. Er konnte das Entsetzen nicht vergessen, das sich auf ihrem Gesicht gemalt hatte.
»Charles wusste es«, wurde ihm plötzlich klar.
Die beiden anderen Männer am Tisch wandten sich ihm zu. »Charles sagte aus, er hätte gesehen, wie Gordon die Arznei des Arztes einnahm, während Mary ihm parallel dazu allabendlich ihren Trank verabreichte.«
»Aber er hat nichts gesagt«, wunderte sich Brendan.
»Richtig«, sagte Marshall. »Warum?«
»Weil Gordons Tod ihm Vorteile brachte«, erklärte Hamish. »Er konnte in aller Ruhe zusehen, wie Gordon vergiftet wurde, und, falls jemandem der Tod seines Arbeitgebers nicht geheuer vorkäme, Ahnungslosigkeit vorschützen und seine Hände in Unschuld waschen.«
»In den Augen des Gesetzes hat er sich keines Verbrechens schuldig gemacht«, sagte Marshall.
»Aber Mary ist
wirklich
unschuldig.«
»Trotzdem fürchte ich, dass sie als Einzige bestraft werden wird.«
Zu diesem Schluss war Hamish auch schon gelangt. Zum wiederholten Mal schaute er auf seine Taschenuhr und fragte sich ungeduldig, wann er seinen Plan endlich in die Tat umsetzen könnte.
Ian MacRae stand mit seiner Frau im Arm am Bug seines Flaggschiffs
Ionis
und konnte es kaum erwarten, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.
»Hast du jemals gedacht, dass wir wieder nach Schottland kommen würden, Liebste?«
Sie rückte etwas von ihm ab und lächelte zu ihm auf. »Ich hielt es zumindest für möglich, besonders nachdem sich Alisdair entschieden hatte hierzubleiben.«
»Wir waren andere Menschen, als wir damals fortgingen.«
Sie lachte fröhlich. »Ich glaube, wir sind noch
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