Geliebter Lord
des Künstlers wie auch schon die Male zuvor beunruhigt, denn sie schaute ihn von Zeit zu Zeit an, als erwäge sie, seinen Körper in Stein zu verewigen.
Er schüttelte den Kopf. »Denk nicht einmal darüber nach, Iseabal MacRae.«
Sie lächelte weiter, und er konnte nicht anders, als zu ihr zu gehen und sie zu küssen. Dann starrte er wieder die Büste an.
»Ich wirke ausgesprochen herrisch. Ist das mein normaler Ausdruck?«
Sie legte den Kopf ein wenig schief und musterte abwechselnd die Büste und ihren Ehemann. »Ich finde, du bist ein ausgesprochen herrisch wirkender Mann«, sagte sie dann. »Aber immerhin bist du ein Earl, und ich nehme an, Earls sind das nun mal.«
Sie war die Einzige, die ihn wegen seines Standes hänselte. Andere zeigten sich entweder ehrfürchtig – oder verächtlich ob der Tatsache, dass er nicht nur ein schottischer Grundherr, sondern auch ein englischer Graf war.
In der nächsten Woche stand Gilmuirs Segnung an. Aus Frankreich würde ein Priester anreisen, um die Zeremonie nach altem Glauben zu vollziehen, und einige Tage darauf würde ein Geistlicher der reformierten Kirche in Schottland seinen Segen sprechen. Jetzt brauchten sie nur noch einen Sarazenen, einen Juden und einen Buddhisten, und dann wäre Gilmuir aus allen vier Ecken der Erde gesegnet.
»Glaubst du, Brendan und Hamish werden rechtzeitig zu der Zeremonie hier sein?«
Er schüttelte den Kopf. Vor ein paar Wochen war Brendan mit seinem Schiff in den Loch Euliss eingelaufen, hatte angelegt und war nach einer kurzen bruchstückhaften Schilderung von Hamishs Zustand ebenso schnell wieder verschwunden. Erst die Befragung von Brendans Mannschaft hatte Alisdair Aufschluss darüber gegeben, was seinem Bruder in den Jahren seit ihrer letzten Begegnung widerfahren war. Es war keine schöne Geschichte, aber noch mehr bestürzte ihn, dass Brendan kein Wort darüber verloren hatte.
»Du könntest mit ihnen reden.«
»Früher hätte ich das vielleicht getan«, erwiderte Alisdair, »aber heutzutage sehen sie mich nicht mehr als den großen Bruder an, der ihnen etwas zu sagen hat. Außerdem ist mein Platz hier, auf Gilmuir.«
Iseabal legte den Arm um seine Mitte. »Du bist noch immer wütend.«
Er fasste sie um die Schultern und drückte sie an sich. »Ich bin enttäuscht.«
»Immerhin hat Brendan sein Schiff hiergelassen«, sagte sie. »Du kannst also sicher sein, dass du zumindest ihn wiedersehen wirst.«
»Aber es ist Hamish, um den ich mich sorge. Er hat offenbar Schreckliches erlebt.«
»Warten wir doch erst einmal ab, ob er kommt«, schlug Iseabal vor. »Und wenn wir es nicht mehr aushalten, dann besuchen wir ihn.«
Alisdair schaute lächelnd auf seine Ehefrau hinunter. Sie war in den Jahren seit ihrer Hochzeit eine echte MacRae geworden.
Sir John Pettigrew rückte vor dem Spiegel seine Halsbinde zurecht. Als auch die letzte Falte richtig saß, ließ er, die Daumen in die Weste gehakt, die Finger auf seiner Brust ruhen. Auf dem Oberkopf war sein Haar schütter, an den Seiten jedoch voll und gelockt. Die sich von der Nase bis zu dem fleischigen Kinn ziehenden tiefen Falten verliehen dem runden Gesicht zusammen mit den von den Mundwinkeln ausgehenden eine Ernsthaftigkeit, die einem Mann mit Einfluss und Macht gut anstand.
Jeder Zoll ein Sheriff, dachte Charles.
»Ich habe Euch hergerufen, um den Wahrheitsgehalt der Gerüchte zu ergründen, die mir zu Ohren gekommen sind«, erklärte Sir John, der sich immer noch im Spiegel musterte und zu billigen schien, was er sah. »Allerdings hätte ich Mrs. Gilly lieber selbst befragt.«
»Sie ist momentan nicht in der Stadt«, sagte Charles. Ein Teil seines Plans war also bereits aufgegangen. Die Bewohner von Inverness waren ein schwatzhafter Haufen, und Gerüchte verbreiteten sich schnell, insbesondere in diesem Fall, bei dem es um eine junge, attraktive Frau und viel Geld ging.
»Das ist mir bekannt.« Der Richter runzelte die Stirn. »Was wisst Ihr über den Tod ihres Ehemanns?«
»Nichts Genaues – aber nachts, wenn Mrs. Gilly glaubt, dass es niemand hört, spricht sie mit dem Verstorbenen, als befände er sich bei ihr im Zimmer«, antwortete Charles scheinbar widerstrebend. Die besten Lügen waren die, die ein Körnchen Wahrheit enthielten, und er hatte tatsächlich oft gehört, wie Mary sich mit Gordon unterhielt, als säße dieser in seinem Sessel in der Ecke.
»Und was sagt sie zu ihm?«
»Sie bittet ihn, ihr zu verzeihen.« Charles senkte den Blick und
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