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Geliebter Lord

Geliebter Lord

Titel: Geliebter Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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Werk wertvolle Ratschläge.«
    Nach Beendigung ihrer Bestandsaufnahme hatte Mary den Koffer geschlossen und das Leder mit einem sauberen Tuch abgewischt.
    Jetzt war der Koffer weg. Und ihre Reisetasche ebenso.
    Es gab nichts daran zu deuteln – Mary hatte ihn verlassen.
    Er hatte nicht von einer Heilerin aus Inverness verhext werden wollen und auch nicht von der Frau, als die sie sich erwies. Mary, deren Lachen ihn lächeln machte und die ihm in Schlagfertigkeit nicht nachstand. Hamish verließ die Kammer, schloss die Tür hinter sich und begab sich geradewegs in das Turmzimmer, in dem er sich in den Wochen vor Marys Ankunft verkrochen hatte.
    Die Sonne ging auf, aber im Norden kündeten dunkle Wolken von kommendem Schnee.
    Er sollte sich ausruhen, aber er wusste, dass er, obwohl er die ganze Nacht auf den Beinen gewesen war, keinen Schlaf finden würde. Und wenn, würden ihn wieder Alpträume martern. Oder Träume von Mary. Er hatte es sorgsam vermieden, an diesen Moment zu denken, sich eingebildet, dass sie ihn nicht verlassen würde, solange er sich nicht damit beschäftigte.
    Bleib bei mir.
    Ich kann nicht.
    Der in seinem Flammenring tanzende Shiva schimmerte im Sonnenlicht. Der Hindugott war die Verkörperung des Glaubens, dass auch aus dem Schlimmsten etwas Gutes erwachsen konnte. Diese Lektion hatte er nicht in der Gefangenschaft oder aus den darauffolgenden Ereignissen gelernt, sondern von seinen Eltern. Sie hatten ihn gelehrt, dass sogar Verzweiflung und Tragödien Freude hervorbringen konnten.
    Den größten Teil seines Lebens hatte er an sich selbst geglaubt, war überzeugt gewesen, alles, was er wollte, durch eigene Anstrengung, die Wahl des richtigen Zeitpunkts und vielleicht ein wenig Glück bekommen zu können. Seine Familie hatte ihm gezeigt, dass zu überleben eine Sache der Willenskraft war, dass er, wenn er wollte, jede Schwierigkeit überwinden konnte. Aber seine Erfahrungen in Indien hatten ihn gelehrt, dass Willenskraft allein nicht genügte. Stolz, Mut, Durchhaltevermögen – nichts davon genügte. Es gab Dinge, die er nicht ertragen konnte. Und es gab Dinge, die er nicht bekommen konnte.
    Wie Mary?
    Er packte die Statue und warf sie aus dem Fenster. Sie landete zur Hälfte im eisigen Wasser des Sees, und dort, schwor Hamish sich, würde sie bleiben.
    Er würde Mary nicht gestatten, ihn zu verlassen. Nicht
so
. Nicht ohne ein Wort der Erklärung. Wenn sie nicht bei ihm bleiben wollte, sollte sie ihm das ins Gesicht sagen. Er wollte aus ihrem Munde hören, dass ihr die gemeinsamen Wochen nichts bedeuteten. Dass sie ihn nicht vermissen würde.
    Und wenn es tatsächlich so wäre?
    Der Gedanke ernüchterte ihn. Vielleicht war, was er für so ungewöhnlich, so besonders, so selten gehalten hatte, für sie ganz normal. Vielleicht hatte sie mit ihrem betagten Ehemann dieselbe Leidenschaft erlebt.
    Für gewöhnlich schreie ich, aber nur im Augenblick der Erfüllung.
    Hamish hasste den toten Gordon Gilly in all seinem bejahrten Glanz; es erfüllte ihn mit hilfloser Wut, dass der Mann Mary seine Ehefrau genannt hatte, dass er im Denken und Tun rein gewesen war. Ein Geschäftsmann, an dessen Gewissen keine Sünden zerrten wie die Krallen eines Raubvogels, der in den Nächten nicht wach lag oder schweißgebadet aus Alpträumen hochschreckte.
    Nein, Gordons einzige Sünde war gewesen, zu sterben und eine Witwe zurückzulassen, die aufrichtig um ihn trauerte.
    Offensichtlich war sie nach Inverness zurückgekehrt. Hatte er sie gelangweilt oder mit Aufmerksamkeit überhäuft, so dass sie bei der ersten Gelegenheit geflüchtet war? Eigentlich sollte er ihr dankbar dafür sein, dass sie ihn heimlich und in aller Stille verlassen hatte. So hatte es keine dramatische Szene gegeben, keine bösen Worte.
    Allerdings sah es ihr ganz und gar nicht ähnlich, sich so davonzustehlen. Es fielen ihm auf Anhieb ein Dutzend Gelegenheiten ein, bei denen sie ihn mit ihrer Direktheit überrascht hatte. Er hatte sie mit Fragen oder Aussagen herausgefordert, und sie hatte ihm mit gleicher Münze herausgegeben. Die Mary Gilly, die er kannte, wäre zu ihm gekommen und hätte ihm rundheraus gesagt, dass es Zeit für sie wäre.
    »Ich gehe jetzt, Hamish.« Er hörte sie beinahe sprechen, in einem ernsten Ton, der dem Ernst ihrer Worte entsprach.
    Und er hätte gefragt: »Muss es sein?«
    »Ja.«
    »Was erwartet dich denn in Inverness, Mary?« Etwas, was wichtiger ist als der Einsiedler, mit dem du auf Castle Gloom gelebt hast? In

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