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Geliebter Lord

Geliebter Lord

Titel: Geliebter Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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seiner Phantasie war er drauf und dran, vor Mary auf die Knie zu fallen.
    »Mein Leben«, hätte sie geantwortet, und dem hätte er nichts entgegenzusetzen gewusst.
    »Also gut«, hätte er zugestimmt. »Ich habe versprochen, dich nach Inverness zurückzubringen, und das werde ich tun.«
    »Das brauchst du nicht.«
    Aber er hätte darauf bestanden.
    Ja, sie wäre zu ihm gekommen, dessen war er ganz sicher. Und um zu erfahren, warum sie es nicht getan hatte, musste er sie finden.
     
    Die Kutsche, mit der Mary nach Inverness zurückgebracht wurde, war nicht luxuriös. Sie war kaum mehr als eine Holzkiste auf Rädern. Ihre Wächter wechselten während der Fahrt hin und wieder flüsternd ein paar Worte, aber mit ihr sprachen sie nicht. Sie hatten das Castle durchsucht, ihren Arztkoffer inspiziert – er stand jetzt neben ihr auf der Sitzbank – und ihre Kleidung in die Reisetasche gestopft. Mary hatte keine Gelegenheit gehabt, Hamish eine Nachricht zu hinterlassen, und sie hatte den Männern nichts von ihm erzählt. Das Letzte, was sie wollte, wäre eine Auseinandersetzung zwischen ihm und den beiden gewesen.
    »Ich bin unschuldig«, sagte sie irgendwann. Keine Reaktion. »Wer hat mich beschuldigt?« Wieder keine Reaktion.
    Mit Brendan hatte sie für die Strecke zwischen Inverness und Castle Gloom einen Tag gebraucht, aber da hatten sie den Lastkarren dabeigehabt. Heute dauerte die Reise nur ein paar Stunden.
    Den an das Gerichtsgebäude angrenzenden roten Ziegelbau, vor dem die Kutsche hielt, kannte Mary gut, allerdings nur von außen. Ihre Wächter packten sie bei den Oberarmen und führten Mary durch eine Reihe von Gängen, vorbei an einem Dutzend Türen mit kleinen, vergitterten Luken, bis sie zu einem Wärter kamen, der an einem kleinen Tisch saß.
    »Ist das die Mörderin?«
    »Die selbige«, antwortete der Geschorene.
    Der Wärter schloss die Tür auf, vor der er gesessen hatte. Marys Begleiter schoben sie in den Raum dahinter und folgten ihr. Jenseits des winzigen, vergitterten Fensters brach die Dämmerung herein.
    »Muss ich hierbleiben?«
    Keine Antwort.
    »Wie lange? Wird mir nicht die Möglichkeit gewährt, meine Unschuld zu beweisen?«
    »Ihr werdet vor Gericht gestellt«, sagte der Geschorene.
    »Wann?«
    »Wenn es der Sheriff wünscht.«
    Die Männer gingen hinaus und schlossen die Tür hinter sich.
    Mary blickte um sich. Sie hatte schon Arme in Wohnstätten besucht, die mit ihren durchhängenden Dächern und dem nackten Erdboden kaum diese Bezeichnung verdienten, doch diese Unterkunft, obwohl solide gebaut, bot weniger Bequemlichkeit als eine primitive Hütte. Das Fenster hatte keine Läden, die vor der Kälte draußen geschützt hätten, und Mary spürte die Kälte des Steinbodens durch die Ledersohlen ihrer Schuhe dringen. Der einzige Gegenstand in der Zelle war ein Eimer, der offenbar als Nachttopf gedacht war.
    Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, schaute durch das Gitter und entdeckte einen bemerkenswert hübschen Innenhof.
    »Falls Ihr nach einem Galgen Ausschau haltet«, sagte eine Stimme hinter ihr und ließ sie erschrocken herumfahren, »den werdet Ihr nicht finden. Sir John hält nichts davon, den schottischen Boden mit Leichen zu pflastern. Er schickt die Verurteilten mit Schiffen an ferne Orte. Entweder sterben sie dort oder schon auf See.«
    Mary hatte beim Eintreten nicht bemerkt, dass sich bereits jemand in der Zelle befand. Inzwischen hatten ihre Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt. Das Kleid der Frau, die an der Wand auf dem Boden saß, war zerknittert, der Saum schmutzig, aber ansonsten wirkte sie gepflegt. Ein dunkelrotes, im Nacken geknotetes Tuch bedeckte die Hälfte ihrer graugesprenkelten braunen Haarkrone. Das Gesicht deutete auf ein fortgeschrittenes Alter hin, aber die Stimme war jung.
    »Ich dachte, ich wäre allein hier«, sagte Mary.
    »Was habt Ihr verbrochen?«
    Mary drehte sich wieder dem Fenster zu und überlegte, wie sie es formulieren sollte. »Es heißt, ich hätte meinen Ehemann getötet.«
    »Habt Ihr es getan?«
    Mary umfasste mit beiden Händen die Gitterstäbe. Sie fühlten sich rauh und kalt an. »Nein, das habe ich nicht«, antwortete sie nachdrücklich.
    »Wenn Ihr einen Bruder oder einen Vater habt, dann ist es jetzt an der Zeit, dass Ihr sie um Hilfe bittet, denn man muss nicht schuldig sein, um von Sir John verurteilt zu werden.«
    Mary hatte das Gefühl, in einem Alptraum gefangen zu sein, in dem die Frau, die da mit ihr sprach, eine Ausgeburt

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