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Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Titel: Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Ganzwohl
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werde lernen müssen, damit umzugehen: Claus ist mein geliebter Mörder.

Die Krise
    »Wir müssen reden«, sagte sie beim Sonntagsfrühstück vor elf Jahren in ihrer gemeinsamen Küche.
    »Ja, gleich, ich möchte noch schnell den Artikel zu Ende lesen«, erwiderte Claus, über die Sonntagszeitung gebeugt.
    »Nein, jetzt. Sofort.« Ihre Stimme klang anders als sonst.
    Claus hob den Kopf und legte die Zeitung beiseite.
    Wir müssen reden – dieser Satz ist immer der Anfang von einem Ende. Bei mir und Claus war es der Anfang vom Ende einer bis dahin unbeschwerten Beziehung.
    Bei Elke und Claus war es der Anfang vom Ende ihrer Liebe.
    Elke eröffnete ihm an diesem sonnigen Septembertag, dass sie ihn nach elf gemeinsamen Jahren verlassen möchte und ausziehen wird. Sie hatte zu diesem Zeit punkt bereits seit Längerem eine Affäre mit einem anderen, einem Kollegen in der Steuerkanzlei. Aber das verschwieg sie, und als er sie fragte, ob es einen anderen gäbe, stritt sie es ab. Nicht aus Angst vor ihm – die hatte sie mit Sicherheit nicht, warum auch? Claus wird bei Streitereien nicht mal laut, er bezeichnet sich selbst als »eher bockig, stur und manchmal ein bisschen gemein«. Das sind auch meine Erfahrungen mit ihm. Gewalttätig? Claus? Das war für Elke mit Sicherheit damals genauso unvorstellbar wie inzwischen auch für mich.
    Wahrscheinlich sagte sie ihm nichts von dem anderen, um ihn nicht noch mehr zu verletzen und zu schockieren, sondern ihn erst nach und nach mit den Tatsachen zu konfrontieren. Vielleicht hatte sie auch Angst vor ihrer eigenen Courage und wollte mit diesem Geständnis abwarten, sich ein Hintertürchen offen lassen, das es ihr ermöglicht hätte, alles schnell wieder rückgängig zu machen, so als hätte sie nie etwas gesagt – was viel schwerer und manchmal gänzlich unmöglich wird, wenn man dem Partner gestanden hat, dass man ihn nicht nur belogen, sondern auch betrogen hat. Vielleicht zweifelte sie auch an ihrem Entschluss zu gehen oder an der neuen Liebe. Wahrscheinlich traf alles ein bisschen zu. Es kostet Kraft und Mut, einen endgültigen Schlussstrich unter eine so lange Beziehung und damit auch unter ein Leben zu ziehen, wie ich aus eigener Erfahrung weiß.
    Ich habe mich von Thomas nach elf Jahren an einem sonnigen Oktobersonntag getrennt. Nach eineinhalb Jahren Kampf um unsere Beziehung und unzähligen Versuchen, Thomas für mich und meine Probleme zu interessieren, hatte ich mich in einen anderen, einen fünf Jahre jüngeren Anzeigenredakteur unseres Verlags namens Oliver, verliebt. Als es begann, hielt ich es nur für eine Affäre – trotz aller Schwierigkeiten konnte ich mir nicht vorstellen, mich jemals von Thomas zu trennen. Wir kann ten uns so lange, hatten so viel miteinander erlebt und durchgestanden, so viele wichtige erste Male miteinander geteilt: das erste Mal in eine Großstadt ziehen, das erste Mal weg von den Eltern, das erste Mal mit einem Partner zusammenwohnen, das erste Mal eine Küche einrichten, die erste Fernreise durch Indonesien, der erste echte Job, das erste selbst verdiente Geld auf dem Konto. Thomas war Teil meiner Jugendzeit, Teil meines Lebens. Doch die Liebelei mit Oliver entwickelte sich zu einer großen Liebe – der großen Liebe, wie ich damals dachte –, und dafür alles über den Haufen warf. Im Gegensatz zu Elke habe ich Thomas an diesem goldenen Oktobersonntag auch von Oliver erzählt. Stundenlang haben wir geredet, beide tränenüberströmt. Doch ähnlich wie Elke habe ich nicht die ganze Wahrheit gesagt, habe noch nicht gestanden, dass die Affäre schon über ein halbes Jahr andauerte, und auch nicht, wie wichtig mir dieser neue Mann geworden war. Ich verschob es auf später und kam mir feige vor – was es ja auch war. Danach habe ich Unterwäsche, einen Schlafanzug und meinen Kulturbeutel in mein schwarzes Ziehköfferchen geworfen, bin gegangen und später nur noch einmal zurückgekommen, um meine Sachen abzuholen und die Wohnung aufzulösen. Ich zog wie Elke in das vorübergehend leer stehende Apartment einer Freundin und nicht etwa direkt zu Oliver. Der war für ein Jahr nach Barcelona gegangen, und ich wollte mir darüber klar werden, wie es nun weitergehen sollte. Letztendlich verließ ich Thomas und begann eine mehrere Jahre dauernde Beziehung mit Oliver.
    Bei Claus und Elke muss es ganz ähnlich abgelaufen sein. Vielleicht hielt Elke den neuen Mann nicht für die große Liebe wie ich Oliver. Vielleicht war er nur eine Art

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