Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte
nicht zu früh, nicht zu spät. Es fühlte sich richtig an. Danach waren wir ein Paar, ohne es aussprechen zu müssen.
Trotzdem machte ich mir Gedanken. Und Sorgen. Claus ist vierzig, ein Jahr jünger als ich. Er will Kinder oder zumindest ein Kind. Schon nach wenigen Wochen begann er, davon zu sprechen. Ich hatte mit dem Kinderthema längst abgeschlossen, hatte einfach nicht mehr damit gerechnet, ausgerechnet jetzt, nach all meinen kurzen Liebeleien und langen, gescheiterten Beziehungsver suchen noch jemandem zu begegnen, von dem ich glaubte, mich wirklich in ihn verlieben zu können. Jemanden, der zudem »unbedingt Papa werden« will, wie er oft und gern sagt.
Die meisten Männer, mit denen ich mich vor Claus getroffen hatte, waren Alimente zahlende Scheidungsväter mit Wochenendbesuchsrecht, wenigen Illusionen und noch weniger Lust auf weiteren Nachwuchs. Ich konnte das verstehen und hatte mich damit abgefunden.
Und jetzt das. Ein bindungswilliger, liebevoller, altmo disch-aufmerksamer Cowboy mit großem Kinderwunsch, der ungefragt Wasserträger hochschleppte.
Die biologische Uhr begann plötzlich zu ticken. Aber war das nicht purer Wahnsinn? Mit einem Mann, den ich erst ein paar Monate kannte, ein Kind zu planen? Und was, wenn es nicht klappte? Immerhin war ich jenseits der magischen Grenze vierzig – im besten Fall eine Risiko schwangere und Superspätgebärende, im schlechtesten eine alte Schachtel mit vertrockneten Eierstöcken. Würde er mich nicht allzu bald gegen eine Jüngere austauschen? So wie damals meine große Liebe? Sollte ich mich wirklich der Gefahr aussetzen, all das noch mal durchmachen zu müssen?
Und dann die Sportsache: Ein Leben ohne Sport ist für Claus undenkbar, nicht lebenswert. Er entspannt sich beim Sport, täglich. Ich entspanne mich mit Chips vor dem Fernseher oder einem dicken Krimi-Wälzer am Strand. Natürlich macht er nicht nur Triathlon. Er läuft Ski, segelt und hat eine Surflehrerlizenz.
»Ist doch völlig egal«, sagte er.
»Ist es nicht«, sagte ich. »Ich kann gegen die Skihaserl und Triathlon-Mausis nicht anstinken.«
»Natürlich kannst du.«
Meine Güte, kaum zu glauben, wie viel ich über das Sport- und Kinderproblem nachdachte. Bevor das ECHTE Problem auftauchte.
»Wir müssen reden.«
Er steht von seinem Stuhl auf, kommt zu mir herüber und zieht mich hoch in seine Arme.
»Komm, lass uns ins Wohnzimmer gehen, da können wir nebeneinander auf der Couch sitzen. Ich möchte neben dir sitzen, wenn ich es dir sage.«
»Es« dir sage, hallt es in meinem Ohr nach. Es.
Er führt mich aus der Küche wie eine Krankenschwester einen Patienten, der vor einer OP schon leicht sediert ist. So ähnlich fühle ich mich auch. Ich tapse strumpfsockig und langsam neben ihm her, in meinem Gehirn jedoch rasen die Gedanken.
Was wird er mir sagen? Was kann es sein? Was?
Aids, schießt mir durch den Kopf. Er ist HIV -positiv. O Gott.
Ganz am Anfang waren wir sehr vorbildlich gewesen und hatten Kondome benutzt, doch nach ein paar Wochen, nachdem aus uns ein Paar – zwar erst in der Probezeit, aber: ein Paar – geworden war, hatten wir sie einfach weggelassen. Ohne zuvor einen Test zu machen. Jetzt hätte ich mich dafür ohrfeigen können. Das Schlimmste daran ist, dass mir das nicht zum ersten Mal passiert. Aus einem Fremden wird ein Geliebter oder eher ein Lover; man verbringt viel Zeit miteinander und bekommt nach und nach das Gefühl, sich gut zu kennen. Der Gedanke an Ansteckung rückt in weite Ferne, bis die Beziehung zer bricht. Dann erscheint der Gedanke daran gar nicht mehr so abwegig. Jedes Mal wieder habe ich mir fest vorgenommen, nie wieder so unvorsichtig zu sein und beim nächsten Mal unbedingt auf einem HIV -Test zu bestehen, bevor … Aber nein, das würde er mir doch nicht antun. Er würde doch nicht zulassen, dass wir auf Kondome verzichten, wenn er weiß, dass er infiziert ist. Niemals.
Vielleicht hat er Krebs. Unheilbar. Noch ein Jahr zu leben. Aber könnte ein Krebskranker zehn- bis zwölfmal im Jahr an einem Triathlon teilnehmen? Und würde ein Todgeweihter unbedingt ein Kind in die Welt setzen wollen? Vielleicht gerade darum, dachte ich. Was weiß ich schon über unheilbar Kranke?
Doch vielleicht ist die Wahrheit auch ganz banal und die Welt so, wie ich es bisher erfahren und gelernt habe. Ich will etwas sagen, bringe aber nur eine Art Krähenkrächzen hervor und räuspere mich.
»Hast du eine Familie, Frau und Kinder? Oder eine andere, parallel zu
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