Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte
dass er mit mir zusammenbleiben wollte, und er hatte inzwischen genügend Vertrauen, um mir davon zu erzählen: »Selbst wenn du gesagt hättest, dass du dich unter diesen Umständen von mir trennen willst, wäre ich mir sicher gewesen, dass du, nun ja, richtig damit umgehen würdest. Das wusste ich einfach.«
Als vertrauensbildende Maßnahme hatte er mich vor seinem Geständnis auch ganz bewusst zu dem Abendessen bei seinen Freunden mitgenommen und mich als seine Neue vorgestellt.
»Du solltest sehen, dass es Menschen gibt, die mich mögen und akzeptieren. Und zwar tolle Menschen, die mir sehr viel bedeuten. Ich wollte auch, dass du erkennst, dass sie ganz normal sind. Und nicht irgendwie asozial oder so.«
Außerdem stand mein Geburtstag vor der Tür. Er ist Mitte Dezember, also ausgerechnet in der Zeit der Weihnachtsfeiern und des allgemeinen vorweihnachtlichen Wahnsinns. Trotzdem veranstalte ich jedes Jahr in meiner Wohnung einen kleinen Glühwein-mit-Plätzchen-Umtrunk und lade dazu wahllos Freunde, Nachbarn und Kollegen ein. Anders als ich hatte Claus meine Freunde und Bekannten noch nicht kennengelernt, es würde also das erste Mal sein, dass wir offiziell als Paar auftreten wollten.
»Ehrlich gesagt habe ich das Gespräch immer wieder hinausgeschoben«, sagte er mir an diesem denkwürdigen Sonntag. »Aber mir war wichtig, dass du vor deinem Fest von meiner Vergangenheit erfährst und entscheiden kannst, ob du mich da überhaupt als deinen neuen Freund dabeihaben und allen vorstellen willst oder ob ich lieber wegbleibe, ohne überhaupt jemals in Erscheinung getreten zu sein.«
Ich war wieder einmal gerührt von so viel Rücksichtnahme. Es würde nicht das letzte Mal sein, dass Claus sich so verhielt. Jedes Mal, wenn wir Freunde von mir besuchen, die er noch nicht kennengelernt hat, oder wir auf eine Party eingeladen sind, fragt er mich vorher, ob die Gastgeber »es« wissen, ob ich ihnen »davon« erzählt habe. Und dann, ob sie »wirklich damit einverstanden sind«, dass er mitkäme. So, als habe er das nicht verdient, als würde er mit seiner Anwesenheit die Wohnung, die Atmosphäre, die Stimmung beschmutzen. Als habe jemand, der sich eine solche Schuld aufgeladen hat wie er, nicht das Recht, einfach überall mit dabei zu sein. Im ersten Moment schüttelte ich über sein Verhalten nur den Kopf, doch irgendwie verstehe ich inzwischen, was in ihm vorgeht. Zudem passierte es wohl mehr als einmal, dass frühere Freunde und Bekannte bei Einladungen zu Partys oder sogar zu Hochzeiten ihre Zusage von der Bedingung abhängig machten, dass Claus garantiert nicht dabei sein würde. Erst war ich empört, als ich davon hörte, schließlich hatte Claus seine Haftstrafe abgesessen, war trotzdem immer noch voller Reuegefühle, und er hatte meiner Ansicht nach eine zweite Chance verdient.
Doch dann dachte ich darüber nach, wie ich mich fühlen würde, wenn eine meiner Freundinnen ermordet worden wäre und ich ihrem Mörder nur ein paar Jahre später auf einem Fest in die Augen sehen müsste. Zusehen müsste, wie er trinkt, feiert, tanzt und Spaß hat, während Hannah, Sonja oder Christiane nie wieder auf eine Party gehen würde. Hätte ich wirklich die Kraft, das zu ertragen? Könnte ich den Hass und die Rachegefühle bezwingen? Ich weiß es wirklich nicht. Ich bin zwar auch eine Betroffene seiner Tat, doch auf völlig andere Art und Weise.
»Das ist doch völlig verständlich«, sagte Claus einmal zu mir, als wir uns darüber unterhielten. »Das ist eine der Folgen meiner Tat, und damit muss ich leben. Das muss ich akzeptieren.« Und damit hatte er wohl recht.
Bei mir stellte sich ziemlich bald nach seinem Geständnis die Frage: Wem erzähle ich davon? Und wann? Und wie? Nein, das waren nicht die allerersten Fragen, auf die ich Antworten finden musste, aber sie wurden mit der Zeit sehr bestimmend, nachdem der erste Schock nachgelassen hatte.
Das wurde mir schon bei meinem vorweihnachtlichen Geburtstagsumtrunk klar, nur zwei Tage nachdem Claus mich über seine Vergangenheit aufgeklärt hatte. Da stand ich mit meinem langjährigen Kollegen und guten Freund Olaf zusammen, ein wahnsinnig gut aussehender, aber leider schwuler Fotograf, den ich vor gefühlten fünfundzwanzig Jahren kennengelernt hatte, als wir bei einer Reisereportage über Thailand eine Woche lang zusammengearbeitet und uns dabei jeden Abend in einer Strandbar mit Pina Colada betrunken hatten.
»Weißt du, Kristin«, sagte er zu mir mit einem Glas
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