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Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte

Titel: Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Ganzwohl
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nun erzählen und loswerden will. Ich platze förmlich vor Mitteilungsbedürfnis, sehne mich nach Einschätzungen und Meinungen der Menschen, denen ich am nächsten stehe, nach Ratschlägen und Hilfe.
    Claus hat mir freigestellt, wem ich davon berichte.
    »Mach, wie du meinst«, hat er gesagt. »Ich weiß, dass du das Richtige tun wirst.«
    »Das ist lieb, dass du das sagst, aber willst du gar nicht wissen, wen ich einweihen will?«
    »Doch, natürlich. Und ich würde dich auch darum bitten, eines im Hinterkopf zu behalten.«
    »Was denn?«
    »Wenn du es einer deiner Freundinnen erzählst, weiß es kurz danach auch ihr Partner. Der wiederum hat einen besten Kumpel, dem er es erzählt. Und der wieder seiner Freundin …«
    »Nein, meine Freundinnen würden nie …«
    »Ach komm, Kristin. Würdest du so eine Geschichte für dich behalten und es nicht einmal mir erzählen – unter dem Siegel der Verschwiegenheit, versteht sich?«
    Ich zögerte. Schluckte.
    »Doch, du hast recht, das würde ich.«
    »Und deinen besten Freundinnen?«
    Wieder zögerte ich, länger als beim ersten Mal.
    »Ja, würde ich wahrscheinlich«, musste ich wieder zugeben.
    Claus nickte und lächelte traurig.
    »Siehst du. Das zieht ganz schnell ganz große Kreise.«
    Das darf nicht passieren. In Claus’ Firma weiß niemand von seiner Vergangenheit, und so soll es auch bleiben. Das heißt nicht, dass er nicht versucht hätte, bei Bewerbungen die Wahrheit zu sagen, aber er hatte schnell feststellen müssen, dass man in diesem Fall mit Ehrlichkeit nicht besonders weit kommt: Er bewarb sich nämlich schon bei verschiedenen Unternehmen, als er noch inhaftiert war. Claus war zu diesem Zeitpunkt »Freigänger«, hatte also die Erlaubnis, tagsüber die Haftanstalt zu verlassen, etwa um nach Arbeit zu suchen. Ihm war eine vorgezogene Entlassung in Aussicht gestellt worden wegen guter Führung, aber auch wegen einer »günstigen Sozialprognose«. Übersetzt heißt dieses Behördendeutsch, dass man bei ihm keinen Rückfall erwartete und ihn so schnell wie möglich loswerden wollte – Strafgefangene kosten den Staat eine Menge Geld, und je länger sie hinter Gittern bleiben, desto schwerer wird es für sie, in der Welt draußen wieder zurechtzukommen und für sich selbst zu sorgen. Eine vorgezogene Entlassung ist selbst bei guter Führung allerdings nur dann möglich, wenn der Strafgefangene eine Wohnung und einen Job vorweisen kann – für die meisten kaum zu schaffen, denn wer vermietet schon an frisch entlassene Straftäter oder gibt ihnen einen Job? Viele Häftlinge lassen sich deshalb von Freunden und Verwandten einen Untermietvertrag geben oder sich in deren Betrieben einstellen, doch Claus begann mit einem ganz normalen Bewerbungsmarathon, wie er ihn von früher kannte, als er noch darauf hoffen konnte, die Karriereleiter rasend schnell nach ganz oben zu klettern. Jetzt bewarb er sich für Jobs, über die er früher die Nase gerümpft hätte, für die er eigentlich überqualifiziert war. Aber es handelte sich immer noch um Führungspositionen mit Personalverantwortung. Und, er konnte es kaum fassen, ein Unternehmen gab ihm trotz allem eine Chance.
    »Ich war beim Vorstellungsgespräch relativ offen, also ich meine, ich habe nicht alles gesagt, aber doch die wesentlichen Punkte. Und trotzdem stellten sie mich ein.«
    Leider nur für ein paar Monate, noch in der Probezeit erhielt Claus die Kündigung – obwohl es dafür keinen Grund zu geben schien: Er hatte seinen Job hervorragend gemacht und sich mit allen gut verstanden.
    »Ich schätze, es wurde ihnen dann doch unheimlich«, meinte Claus, als er mir davon erzählte. »Man kann es ihnen nicht verdenken.«
    Die Kündigung war zu diesem Zeitpunkt für Claus aber kein Weltuntergang.
    »Auch damit habe ich rechnen müssen. Auch mit so etwas muss ich leben.«
    Zudem hatte der Job die vorgezogene Haftentlassung bereits ermöglicht, Claus war wieder draußen und machte sich von Neuem auf Jobsuche. Bei der nächsten Bewerbungsrunde verschwieg Claus seine Vergangenheit, auch auf Anraten seiner Gefängnistherapeuten und seines Bewährungshelfers. Rein rechtlich gesehen ist nämlich kein Straftäter dazu verpflichtet, die Verurteilung und Haftstrafe in der schriftlichen Bewerbung oder dem Vorstellungsgespräch zu erwähnen – es sei denn, er wird direkt danach gefragt. Er muss nur eine gute Erklärung für die lange Lücke im Lebenslauf parat haben. Das war für Claus kein Problem, denn er hatte während

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