Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte
Glühwein in der linken und einem von mir selbst gebackenen Vanillekipferl in der rechten Hand, »ich bin ausnahmsweise mal wirklich stolz auf dich.«
»Ach, echt?«
»Ja, echt. Ich meine, sein Outfit ist ein bisschen spießig für meinen Geschmack …«
»Olaf, du fiese Schwulette …«
»Na, das musste mal gesagt werden, aber …«
»Ja, ich höre? Spießiges Outfit. Aber?«
Er beugte sich zu mir herunter und flüsterte in mein Ohr:
»Aber du hast dir mit Cläuschen-Mäuschen endlich mal ’nen ganz normalen, richtig netten Typen geangelt …«
Ich spürte, wie mein Gesicht heiß wurde und meine Hände zu zittern begannen. Glühwein tropfte auf den Boden, doch Olaf schien nichts davon zu bemerken.
»Nach den letzten beiden Psychos, diesem hypereifersüchtigen Narzissten und diesem Schnösel, der zum La chen in den Keller oder sonst wohin ging, ist der Kerl echt mal Balsam für die Seele.«
»Ach, Olaf«, sagte ich und dachte bei mir: Wenn du wüsstest …
Er hatte ja recht damit, dass meine letzten beiden Beziehungsversuche nach Oliver eine mittlere Katastrophe gewesen waren, aber auch dieses Mal war »der Typ« alles andere als »normal« und »nett«.
Olaf redete einfach weiter: »Und wie lieb der zu dir ist, also der trägt dich ja quasi auf Händen. Und dann noch dieser Body unter diesem Spießer-Poloshirt, also ich kann nur sagen: gut gemacht, meine Süße! Und die Polohemden gewöhnen wir ihm schon noch ab.«
Er sah mir ins Gesicht.
»Du hast aber eine gesunde Gesichtsfarbe. Ich sag’s ja: Der Junge tut dir gut.« Damit gab er mir ein Küsschen auf die Wange, ging in die Küche, um sein Glühweinglas nachzufüllen, und ließ mich mit klopfendem Herzen und roten Wangen zurück. Wenn es nicht so traurig wäre, hätte ich jetzt laut angefangen zu lachen.
»Endlich mal ein ganz normaler Typ« – Olaf hätte kaum falscher liegen können.
Er musste es erfahren, gar keine Frage. Aber nicht heute, nicht in den nächsten Tagen, irgendwann später, beschloss ich. Ich brauchte erst noch Zeit für mich zum Nachdenken.
Dem Impuls, es Hannah, meiner besten Freundin aus München, sofort nach Claus’ Geständnis von Angesicht zu Angesicht zu sagen, hatte ich leider nicht nachgeben können. Sie war damals auf Geschäftsreise, irgendwo in Südchina. So musste ich also noch warten – bis nach Weihnachten, hatte ich mir vorgenommen. Das schaffte ich dann aber doch nicht, ich platzte damit heraus, als sie mir kurz vor meiner Reise nach Hiddensee mein Weihnachtsgeschenk brachte.
Während meiner Geburtstagsfeier überlegte ich, wem ich es noch anvertrauen wollte: Sonja in Hamburg, natürlich. Sie ist eine Exkollegin, mit der ich schon seit Jahren eng befreundet bin. Und natürlich Christiane in Wien – mit ihr verbindet mich eine dreißigjährige Freundschaft, ich kenne sie noch aus Schulzeiten. Ihr süßer Sohn Leon ist mein Patenkind.
Keine von beiden war zu meiner kleinen Geburtstagsfeier gekommen; es wäre auch ein bisschen viel verlangt, ausgerechnet in der stressigen Vorweihnachtszeit für diesen kleinen, unspektakulären Glühwein-Umtrunk zu einem unrunden Geburtstag extra aus Hamburg oder Wien anzureisen. Ich wusste aber auch, dass ich bis Anfang nächsten Jahres warten musste, bis ich eine Chance bekäme, sie persönlich zu treffen. Und selbst das war optimistisch geschätzt.
Gab es andere Möglichkeiten, es ihnen zu sagen? Mit Sonja chatte ich fast täglich, und mit Christiane führe ich alle sechs bis acht Wochen ein stundenlanges Telefonat. Sollte ich sie auf diesem Weg informieren? Via Telefon und Chat?
Ich versuchte, mir so einen Chat vorzustellen.
»Sonja, es ist was passiert.«
»Was Lustiges? Schieß los!«
»Nein, nicht lustig, eher das Gegenteil.«
»Oh nein! Ärger in der Redaktion?«
»Nein.«
»Oje, Muttern mal wieder? Oder Claus? Habt ihr euch etwa gestritten?«
»Ja, schon, aber darum geht’s nicht. Also schon irgendwie …«
»???«
»Also: Es geht um Claus, aber es fällt mir schwer, das jetzt einfach so hinzuschreiben.«
»Spann mich nicht auf die Folter! Was ist denn???«
»Claus hat mir vor drei Tagen erzählt, dass er …«
Nein, beschloss ich, das ist nicht der richtige Weg. Ich würde es auf später verschieben, wenn ich mich nicht mehr fühlte, als würde ich auf und durch Watte gehen; wenn ich nicht mehr drei Mal am Tag mit kurzen Anfällen von Herzrasen und unkontrollierbarem Zittern zu kämpfen hätte.
Sicher bin ich mir mittlerweile nur, dass ich »es«
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