Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte
monatelang, erfand faule Ausreden wie »lange Wartezeiten bei Münchner Therapeuten«, um dann damit herauszurücken, dass er keine Lust auf eine Paartherapie habe. Es war ihm offenbar zu mühsam. Während ich nichts unversucht lasse, um unsere Beziehung zu stabilisieren, um einen Weg zu finden, mit ihm zu leben, war ich ihm noch nicht einmal ein paar Therapiestunden wert. Ja, ich weiß, dass Claus inzwischen über zehn Jahre Therapien hinter sich hat und dass er auch jetzt noch einmal im Monat eine Therapeutin aufsucht oder vielmehr aufsuchen muss, denn er hat eine Bewährungsfrist von insgesamt fünf Jahren, und diese Sitzungen gehören zu den Bewährungsauflagen. Claus sagt zwar immer, dass er seine momentane Therapie gut und wichtig findet und sie wahrscheinlich sogar weitermachen wird, wenn seine Bewährungsfrist endet. Doch ich glaube trotz all dieser Beteuerungen, dass er nach all den Jahren nur wenig Lust auf weiteren Psychokram und aufwühlende Sitzungen mit mir in stickigen Räumen hat; andererseits sollte ihm doch klar sein, wie schwierig die Situation für mich als seine Partnerin ist. Es muss ja keine jahrelange Psychoanalyse sein, ich wünsche mir nur ein paar Stunden. Ich habe einfach das Gefühl, dass ich und auch wir beide als Paar professionelle Hilfe benötigen. Und ich will damit nicht warten, bis die Probleme noch größer werden, als sie sowieso schon sind.
Es kommt mir ein wenig so vor wie damals bei unserem ersten Urlaub, der Weihnachtsreise nach Hiddensee. Claus’ Geständnis lag gerade mal zwölf Tage zurück, aber er kam nicht auf die Idee, dass mich sein verändertes Verhalten während der langen Autofahrt, bei der er sich vom stets gut gelaunten Charmeur zum grantigen Muffel verwandelte, verunsichern und ängstigen könnte. Ihm kam auch nicht in den Sinn, dass die vielen Streitereien über Kleinigkeiten während dieser Ferien etwas mit seiner Vergangenheit zu tun haben könnten, von der ich gerade erst erfahren hatte. Er erwartete nach zwölf Tagen eine Art Normalzustand – oder zumindest eine rationale Auseinandersetzung mit dem ganzen Thema. Er stellte sich »vernünftige« Gespräche in »vernünftiger Atmosphäre« vor – »vernünftig« ist eines seiner Lieblingswörter. In welches Gefühlschaos er mich gestürzt hatte, war ihm ebenso wenig bewusst wie die Tatsache, dass so ein emotionales Wirrwarr irrationale Folgen hat, zu Spannungen und Auseinandersetzungen führt. Ich verhielt mich alles andere als vernünftig – aber war das wirklich so verwunderlich?
Wie kann es nur sein, dass dieser eigentlich so einfühlsame Mann meine Gefühlslage überhaupt nicht nachvollziehen kann? Warum erkennt er nicht, dass er zu schnell zu viel erwartet?
Als ich nach unserem Streit über die Paartherapie zu Hause ankam, warf ich als Erstes seine Zahnbürste in den Müll und zerriss das Foto auf meinem Nachttisch, das uns bei einer Bergwanderung in den Alpen zeigte. Und heulte die ganze Nacht lang.
Wir haben uns dann später wieder versöhnt, haben uns beide für unser Verhalten entschuldigt. Ich habe eine neue Zahnbürste gekauft, und Claus gab mir erneut sein »Indianerehrenwort«, sich »asap« um einen Therapieplatz zu kümmern – das war mein Wunsch. Natürlich hätte ich einfach den Telefonhörer in die Hand nehmen, ein paar Therapeuten abtelefonieren und Claus mit einem Termin konfrontieren können. Doch ich möchte, dass er das in die Hand nimmt, dass er Initiative zeigt. Ich wünsche mir einen Beweis dafür, dass er mich ernst nimmt und nicht nur große Reden über »Hilfe« und »Verständnis« schwingt, sondern seinen großen Worten auch Taten folgen lässt. Ist das so schwer zu verstehen?
Das alles liegt allerdings schon wieder Wochen zurück – Claus hat die Therapie seitdem mit keinem Wort mehr erwähnt. Und nun auch noch diese wenig begeisterten Kommentare und vielen »Hms« zu meiner Recherche im Knast. Was will er denn? Dass ich endlich Ruhe gebe? Die ganze Sache verdränge, so wie die zwei Frauen, die er vor mir hatte, und einfach so tue, als wäre es die normalste Sache der Welt, mit einem Mörder zusammen zu sein?
Ich blicke aus dem Zugfenster auf vorbeihuschende Landschaften im Sonnenschein – die Idylle und das Traum wetter passen so gar nicht zu meiner Stimmung. Blitz, Donner und Hagel – das würde meine Gefühle schon eher widerspiegeln. Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin dabei, mich in einen weiblichen Hulk zu verwandeln.
Ich versuche, mich von meinen
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