Geliebter Moerder - Eine wahre Geschichte
– wie bei meinen beiden Exfreunden – die Gefühle für den anderen einfach nicht ausgereicht hatten und man sich zudem eingestehen musste, dass man mit dem neuen Partner hinten und vorn nicht zusammenpasst. Es ist mit Ende dreißig, Anfang vierzig viel schwieriger, sich auf jemanden einzulassen, als früher, wie ich in den letzten Jahren feststellen musste.
Vielleicht ist es zu einfach, die Gründe für die Schwie rigkeiten in unserer Beziehung immer in Claus’ Ver gangenheit zu suchen, den »Mörder« und »Exknacki« für alles verantwortlich zu machen: Schlafprobleme, Magenschmerzen, Dauerhusten, nicht enden wollende Alltagsstreitereien. Gerade die sind vielleicht nur ganz normale Paarprobleme – und der Rest liegt an zu viel Stress im Job. Vielleicht passen wir einfach nicht zusammen – so wie ich es schon ganz am Anfang befürchtet hatte, als ich von dem Mord noch nichts ahnte. Ich weiß es nicht.
Sicher bin ich mir nur über meine ständig wachsende Wut, die zu unterdrücken mir von Tag zu Tag schwerer fällt. Sie hat damit zu tun, dass Claus sein Versprechen nicht einlöst, mit mir eine Paartherapie zu beginnen, in der ich gern all die Fragen klären würde, die mir auf der Seele liegen und auf die ich allein keine Antwort finde. Anfangs hat er eifrig genickt, wenn ich ihn darauf angesprochen habe; dann hat er mich auf später vertröstet; irgendwann hat er gesagt, dass das doch alles nichts bringen würde, dass er schon so viele Therapien hinter sich habe und jede Frage in- und auswendig kenne und wisse, welche Antworten gewünscht oder erwartet werden …
»Ja, aber es geht doch nicht um erwünschte Antworten, um richtig oder falsch. Das ist doch keine Knasttherapie, bei der du dich gut verkaufen musst …«, wandte ich bei einem unserer letzten Streitgespräche ein.
»Das weiß ich auch.«
»Aber?«
»Aber? So eine Therapie bringt doch nichts. Das schaffen wir auch allein. Wir müssen doch nur ruhig und vernünftig miteinander reden …«
»Komm mir jetzt bloß nicht mit vernünftig!«
Claus zuckte zusammen, und ich merkte, dass ich schon wieder viel zu laut geworden war. Obwohl ich mir dessen jedes Mal bewusst bin, schaffe ich es nicht, meine Stimme zu dämpfen. Trotzdem lenkte er ein.
»Hör zu, Kristin, wenn du das so unbedingt willst, dann machen wir das halt.«
»Du weißt genau, wie unbedingt ich das will. Ich habe es oft genug erklärt.«
»Aber ich mache das dann nur für dich – mir bringt das überhaupt nichts.«
»Woher willst du das wissen?«
»Weil ich über zehn Jahre Therapien hinter mir habe. Weil es nichts mehr gibt, was die mir erzählen können. Alles schon tausend Mal gehört …«
»Vielleicht bringt es dir nichts, aber uns …«
»Das glaube ich kaum. Meiner Meinung nach sollten wir das allein hinbekommen. Ich meine, wir wissen doch, was wir füreinander fühlen! Wir sind doch erwachsen! Wir müssen uns nur zusammenreißen und …«
»Zusammenreißen! Immer dieses scheiß Zusammenreißen! So ein Schwachsinn!«
»Kristin, bitte!«
»Warum hast du mir versprochen, dass wir eine Paartherapie ausprobieren, wenn du eigentlich von vornherein dagegen warst?«
»Na ja, ich wusste nicht, dass dir das so wichtig ist …«
»Soll das ein Witz sein? Ich habe gebettelt, dich förmlich angefleht …«
»Nun übertreib mal nicht. Ich hab’s einfach nicht so ernst genommen …«
»Darum hast du Jaja gesagt, in der Hoffnung, dass ich es vergesse, oder was?«
Aus dieser Diskussion wurde ein heftiger Streit, der mit Tränen, Gebrüll und Türenknallen endete. Wer ge brüllt hat, muss ich wohl nicht extra dazusagen. Und nicht nur das: Ich lief wieder einmal davon, ließ Claus allein in seinem Apartment zurück – mehr als froh darüber, in meine eigene Wohnung flüchten zu können. Ich machte das nicht zum ersten Mal. Ich hatte ihn bei allen möglichen Auseinandersetzungen in Restaurants und Cafés sitzen und im Englischen Garten stehen lassen – mir ist völlig klar, wie unmöglich ich mich benommen habe und benehme. Doch ich schaffe es nicht, diesen Fluchtreflex zu unterdrücken. Manchmal will ich weg, nur weg, so schnell wie möglich. Ich fliehe vor meiner Hilflosigkeit, der Wut, der Angst – und vor Claus.
In diesem Fall fühlte ich mich von ihm verraten und verkauft. Er hatte mir sein Versprechen gegeben, hatte immer wieder verkündet, er wolle alles dafür tun, um mir zu helfen, mit seiner Vergangenheit umgehen zu lernen – und nun das. Erst vertröstete er mich
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