Geliebter Normanne
»Das heißt für mich, ich werde mich noch heute auf den Weg nach London machen.«
»Zu Fuß, Sir?« David, der Zimmermann, erhob die Stimme. »Wenn es Euer fester Entschluss ist, werden wir Euch selbstverständlich folgen.« Er blickte in die Runde, und Bosgard sah gerührt, wie alle zustimmend nickten.
»Bruder Pierre, fürs Erste werde ich mir Euren Esel ausleihen.« Der Mönch trat vor und beugte sein Knie vor Bosgard. »Keine Sorge, ihm wird nichts geschehen, ich werde ihn hüten wie meinen Augapfel und Jesaja unversehrt zu Euch zurückbringen.«
Trotz der angespannten Situation lachten die Männer. Henri rief: »Wenn Ihr, Sir, auf einem Esel reitet, dann werden wir uns dafür auch nicht zu schade sein. Ein paar Eurer Männer sind bereits ausgeschwärmt, um von den umliegenden Gehöften alle Tiere, die als Reittiere dienen können, zusammenzutreiben.«
Bosgard nickte wohlwollend. »Wir müssen lediglich bis nach Exeter gelangen. Dort werde ich neue Pferde erwerben können.« Er blickte in die Runde und musste Tränen der Rührung unterdrücken, als er in die Augen der Menschen blickte, die selbstlos an seiner Seite standen, um seine große, seine einzige Liebe zu retten.
Es war ein seltsamer Zug, der einen Tag später Penderroc Castle verließ. Allen voran ritt Bosgard de Briscaut in leichter Rüstung. Auf den schweren Brustpanzer und die Beinschienen musste er verzichten, denn Jesaja hätte das Gewicht nicht getragen. Weitere Ritter auf Eseln, drei sogar auf einem Ochsen, folgten, während zwei Dutzend sich zu Fuß auf den langen Weg machten – darunter Ritter Henri und der junge Eric, der vehement auf einer Begleitung Bosgards bestanden hatte.
»Lady Hayla hat mein Leben und das meiner Schwester gerettet, da lasse ich sie nicht im Stich, wenn sie Hilfe braucht«, hatte er lautstark protestiert, als Bosgard ihn in Penderroc Castle zurücklassen wollte. Bosgard schmunzelte über den Eifer des Jungen und erlaubte ihm, sie zu begleiten. Er war ebenfalls in Erics Alter gewesen, als es ihn von zu Hause forttrieb, um eines Tages ein guter und tapferer Ritter zu werden.
Waline stand am Fenster ihrer Kammer und sah Bosgard nach. Sie bekreuzigte sich und murmelte ein Gebet. Obwohl alles dagegen sprach, Hayla befreien zu können – wenn es einem gelang, dann Bosgard de Briscaut. Waline hatte ihre Meinung über ihn gründlich geändert. Der große und stolze Normanne war jetzt die einzige Hoffnung darauf, Hayla jemals wiederzusehen.
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19. Kapitel
N achdem sie aufgebrochen waren, hatte Hayla nicht nach Penderroc Castle zurückgeblickt. Sie wusste, sie würde die Burg, in der sie die glücklichste Zeit ihres Lebens verbracht hatte, niemals wiedersehen. An Händen und Füßen gefesselt, zerrte man sie in einen kleinen Wagen. Yven de Mantes bestimmte zwei Männer zu ihrer Bewachung, und Hayla war entsetzt, als sie sah, dass einer von ihnen Ralph Clemency war. Mit einem schmierigen Lächeln setzte er sich Hayla gegenüber und legte demonstrativ eine Hand auf den Griff seines Schwertes.
»Welch freudige Überraschung, Hayla. Ich hätte nie zu hoffen gewagt, dich eines Tages doch noch in meine Gewalt zu bekommen.«
Hayla wandte den Blick ab, als sie antwortete: »Ihr unterliegt einem Irrtum, Sir Ralph. Ich bin jetzt zwar eine Gefangene, aber ich unterstehe der Aufsicht von Sir Yven de Mantes, Eurem Herrn, dem Ihr verpflichtet seid.«
Ralph Clemency lachte gackernd, und der zweite Begleiter blickte die beiden erstaunt an. »Du hältst dich hier raus, Hugo, sonst kannst du deine Zähne einzeln auflesen, klar?«, herrschte Ralph ihn an und fuhr dann, zu Hayla gewandt, fort: »De Mantes kann seine Augen nicht überall haben. Ich bin sicher, wir beide werden während der Reise viel Spaß miteinander haben.«
Ralph legte eine Hand auf Haylas Knie und tätschelte es vertraulich. Hayla wurde es bei seiner Berührung übel, und sie versuchte, so weit wie möglich von ihm fortzurücken. Das Innere des Wagens war jedoch sehr beengt, und die Fesseln hinderten sie daran, Ralphs Hand fortzustoßen. So blieb ihr nichts anderes übrig, als ihn mit einem hasserfüllten Blick anzusehen. »Im Augenblick mögt Ihr Euch mächtig fühlen, Ralph Clemency, aber der Tag wird kommen, an dem Ihr für alle Eure Taten büßen werdet.«
Ralph ließ Haylas Knie los und hieb sich auf seinen Schenkel. »Ha, wenn du meinst, dass ich irgendwann mal in der Hölle schmoren werde – davor habe ich keine Angst. Ich lebe jetzt und
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