Geliebter Normanne
ebenfalls einen Krug und trank gierig wie alle anderen.
Schweine wurden geschlachtet, Hühnern der Hals umgedreht und Feuer angefacht. Bald schon lag der köstliche Geruch nach gebratenem Fleisch in der Luft, und die Stimmung der Leute wurde immer ausgelassener. Die ersten Dorfbewohner kamen aus dem Wald zurück, nachdem sie den Lärm gehört hatten, und stürzten sich ebenfalls auf die lang entbehrten Köstlichkeiten. Einige begannen zu singen und zu tanzen, und auch Bruder Pierre gesellte sich zu den Feiernden.
»Wir sollten Gott danken, dass er uns von der Gefahr befreit hat.« Sein Ruf ging in dem Lärm unter, aber er kniete sich hin und faltete die Hände. Inbrünstig betete er und dankte seinem Schöpfer nicht nur für die Befreiung, sondern auch dafür, dass Jesaja verschont geblieben war.
Ein heller Lichtstreifen im Osten kündigte den Morgen an, als sich eine der Frauen an die Magd Waline erinnerte. Die alte Frau war nicht unter den Feiernden. Die Frau war nüchtern genug, einen Krug Bier und ein Stück saftiges Schweinefleisch zu holen. Als sie zu Walines Kammer ging, schauderte sie ein wenig. Penderroc Castle schien wie ausgestorben zu sein. Irgendwie konnte sie nicht glauben, dass Sir Bosgard und Lady Hayla nicht auch Verlangen nach Fleisch und Wein oder Bier hatten, aber das ging sie nichts an. Sie fand Waline wach und aufrecht im Bett sitzend vor.
»Ich habe dir etwas zu essen und trinken gebracht.« Sie stellte die Sachen auf dem Tisch ab. »Es ist unglaublich, aber die Feinde haben tatsächlich aufgegeben.«
Waline seufzte und bat die junge Frau, ihr aufzuhelfen. Das Bier rann ihr köstlich durch die Kehle, und das warme Fleisch stärkte sie. Als sie alles aufgegessen hatte, fragte sie: »Wo ist Hayla?«
Die Frau zuckte mit den Schultern. »Man sagt, sie und der Herr würden die Befreiung auf ihre eigene Art feiern.« Ein verlegenes Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Die beiden haben Sir Bosgards Gemach bis jetzt nicht verlassen.«
Waline wusste sofort, hier stimmte etwas nicht, aber sie ließ sich nichts anmerken. Sie dankte der Frau für das Essen, dann schickte sie diese fort. Mühsam stand sie auf, hüllte sich in ihren Umhang und verließ die Kammer. Das Gehen fiel Waline zwar schwer, denn sie war immer noch geschwächt, aber sie tastete sich an den Wänden entlang zu Bosgards Gemach. Ebenso wie die Männer zuvor fand sie dieses verschlossen vor.
»Sir Bosgard … Hayla … bitte öffnet!« Eindringlich klopfte Waline an die Tür. »Bitte, Hayla, wenn du da drinnen bist, dann mach auf.«
Nichts geschah, kein Geräusch drang durch die dicke Holztür an Walines Ohr. Sie versuchte, durch das Schlüsselloch etwas zu erkennen, aber der Raum lag in völliger Dunkelheit. Waline zitterte am ganzen Körper. Es war jedoch nicht die Kälte oder Schwäche, die sie erbeben ließ, sondern die Erkenntnis, dass etwas Schreckliches geschehen sein musste.
»Hayla, was hast du getan!« Waline ahnte, zu was sich das Mädchen hatte hinreißen lassen, um sie alle zu retten, und sie erinnerte sich an den Becher mit dem Schlaftrunk. Für einen großen Mann wie Bosgard de Briscaut hatte Hayla sicher noch ein paar Kräuter hinzumischen müssen, um ihn für lange Zeit in tiefen Schlaf zu versetzen, aber Hayla kannte sich mit solchen Dingen ebenso gut aus wie sie selbst. Waline glitt zu Boden. Sie schlug die Hände vors Gesicht und murmelte: »Gott sei deiner armen Seele gnädig, Hayla.«
Wie von Hayla vorausgesagt, waren die Männer zu betrunken, um Waline Glauben zu schenken, als sie versuchte, Sir Henri oder jemand anderen davon zu überzeugen, Bosgards Gemach aufzubrechen. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als die Ersten aus ihrem Rausch aufwachten und in die Burg zurückkehrten. Erst jetzt kam jemand auf die Idee, einen Blick in die Stallungen zu werfen.
»Die Pferde sind fort!« Der Aufschrei hallte durch die ganze Burg. »Während wir im Dorf gefeiert haben, muss sich jemand in die Ställe geschlichen und die Pferde mitgenommen haben.«
»War keine Wache dort?«, fuhr Henri den Sprecher an. »Wie konnte das passieren?«
»Wir dachten, alle Belagerer wären fort, darum war das Tor unbewacht … nun ja, und wir haben getrunken … Ihr eingeschlossen, Sir Henri.«
Nun wurde allen Leuten bewusst, dass Bosgard de Briscaut sich immer noch nicht hatte blicken lassen. Hier stimmte etwas nicht! Ritter Henris Kopf fühlte sich zwar an, als wäre er mit einem Holzhammer bearbeitet worden,
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