Geliebter Normanne
möchte ein wenig Spaß haben. Ich kann unsere erste Rast kaum erwarten. Vielleicht teilt de Mantes uns beiden ein gemeinsames Zelt zu. Das wäre doch schön, oder?«
»Ihr seid das verabscheuungswürdigste Geschöpf auf Erden, und ich hasse Euch, Ralph Clemency.« Der zweite Begleiter, der das Gespräch mit zunehmender Fassungslosigkeit verfolgte, wich vor Haylas kalter und harter Stimme zurück. »Bevor Gott Euch strafen wird, werde ich es selbst tun«, fuhr Hayla fort. »Bei der ersten sich mir bietenden Gelegenheit werde ich Euch töten.«
»Oh, jetzt bekomme ich aber Angst!« Ralphs Stimme troff vor Hohn. »Nun, schöne Hayla, wenn du meinen Tod willst, dann musst du wahrscheinlich wirklich selbst die Waffe führen, denn Bosgard wird keinen Finger rühren, dich zu retten oder sich mir gar entgegenzustellen. Wo ist er denn jetzt, dein geliebter Bosgard? Nach ein paar Tagen Belagerung hat er dich gehen lassen, als er merkte, dass es ihm sonst an den Kragen geht. Zuerst große Töne spucken, er würde dich beschützen und so, doch dann feige den Schwanz einziehen.«
»Haltet den Mund und sprecht nicht so über Bosgard. Ihr seid es nicht wert, ihm auch nur die Stiefel zu lecken.«
Hayla hatte mit Yven de Mantes vereinbart, niemandem von ihrem Abkommen zu erzählen. Die Männer sollten glauben, Bosgard de Briscaut hätte sich besonnen und Hayla gemäß dem Befehl des Königs ausgeliefert. Sie hätte Ralph die Wahrheit am liebsten ins Gesicht geschleudert, aber Hayla beherrschte sich. Sollte er sich nur in Sicherheit wiegen – eines Tages würde Bosgard ihn für all das, was er ihr und ihm angetan hat, zur Rechenschaft ziehen.
Ralph Clemency zeigte sich von Haylas Worten unbeeindruckt. Sein schmieriges Grinsen wurde noch breiter, als er leise sagte: »Du hast einen großen Fehler gemacht, Mädchen, indem du Bosgard mir vorgezogen hast. Du bist auf sein freundliches Getue reingefallen, auf seine Worte, die von Gleichheit zwischen Normannen und Angelsachsen sprachen, dabei ist Bosgard ein Mann wie alle anderen auch. Er wollte seinen Spaß mit dir, und als er davon genug hatte und erkannte, wer du in Wahrheit bist, konnte er dich nicht schnell genug loswerden. Er scheint zu hoffen, dass er damit die Gunst des Königs zurückerlangt, was ihm vielleicht auch gelingen mag, besonders wenn er Constance Aubrey heiratet. Das wirst du jedoch nicht mehr erleben.«
Hayla zeigte keine Regung bei seinen deutlichen Worten, denn diese Genugtuung wollte sie Ralph nicht geben. Sie hatte darüber nachgedacht, ob es möglich wäre, den König von ihrer Unschuld zu überzeugen. Sie hatte nichts davon gewusst, die Tochter Harolds zu sein, und niemals hatte sie auch nur den kleinsten Gedanken gehegt, selbst nach der Krone Englands zu greifen. Hayla kannte William nicht, aber er trug nicht umsonst den Beinamen
Der Eroberer
, oder auch
Der Schlächter
, denn er war dafür bekannt, dass Mitleid und Gnade Fremdwörter für ihn waren. Darum hegte Hayla wenig Hoffnung, von ihm vielleicht nur mit einer Kerkerhaft oder einer Verbannung bestraft zu werden. König William konnte es sich nicht leisten, ihr Leben zu verschonen, wenn sie wirklich einen Anspruch auf den Thron Englands hatte. Dennoch würde sie nicht verzweifeln, sondern bis zu ihrem letzten Atemzug um ihr Leben kämpfen.
Hugo, der zweite Begleiter, wand sich unbehaglich. Er war nur ein unbedeutender Knappe ohne einen Penny in der Tasche und auf das Wohlwollen Ralph Clemencys angewiesen. Während der Belagerung war er von de Mantes seinem neuen Herrn zugeteilt worden. In den wenigen Tagen hatte er bereits festgestellt, dass sein neuer Herr kein guter Mensch war. Wie er jetzt mit dem Mädchen sprach, erschreckte Hugo so sehr, dass er Mitleid mit ihr bekam. Er zählte zwar noch keine fünfzehn Jahre, war aber schon alt genug, um von Haylas Schönheit beeindruckt zu sein. Natürlich wusste Hugo, dass man der jungen Frau vorwarf, gegen den König zu intrigieren, aber er konnte nicht glauben, dass sie wirklich eine Verräterin war. Offenbar kannten Ralph Clemency und sie sich schon länger, und sein Herr war auf Hayla nicht gut zu sprechen. Nun, er würde schweigen und so tun, als ginge ihn das alles nichts an. Er war auf das Wohlwollen von Sir Ralph angewiesen, denn was sollte er machen, wenn dieser ihn gegenüber de Mantes in Misskredit brachte oder ihn sogar fortschickte.
Hayla bemerkte die Unsicherheit des Jungen, der sie immer wieder verstohlen von der Seite musterte. Sie
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