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Geliebter Normanne

Geliebter Normanne

Titel: Geliebter Normanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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meine Autorität in Frage zu stellen?«
    »Wenn du dich benimmst, als wärst du in einem Schweinekoben aufgewachsen, und ein unschuldiges Kind erschlägst, dann hast du keine andere Behandlung verdient. Auch wenn du mein Gefolgsmann bist, dies war nicht nur unnötig, sondern grausam. Ich dulde keine Misshandlung meiner Leute, und wenn du nicht sofort mit mir kommst, dann könnte es sein, dass ich die Beherrschung verliere.« An Bosgards Schläfe pochte eine Ader. »Sag den Leuten, sie mögen den Jungen hinausbringen.« Er schaute sich in der Halle um und winkte den Mönch heran. »Bruder Pierre, sorgt dafür, dass der Arme eine anständige Beerdigung erhält.«
    Der Geistliche nickte, und Bosgard ging mit weit ausholenden Schritten zur Tür. Er schaute nicht zurück, ob Ralph ihm folgte. Dieser ballte die Hände zu Fäusten und presste die Lippen zusammen, aber ihm blieb nichts anderes übrig, als Bosgard zu folgen. Als Ralph an Hayla vorbeiging, hörte sie ihn heiser flüstern: »Das wirst du mir büßen, du Hure.«
    Hayla und Waline halfen, den Körper des Jungen in eine der Hütten zu bringen, dann ließen sie Bruder Pierre mit dem Leichnam allein. Waline erzählte Hayla, dass der Name des Jungen Aldwulf lautete und er ein Waisenknabe war, der vor rund drei Monaten aus dem Osten auf der Flucht vor den Normannen nach Penderroc gekommen war.
    »Wenigstens muss keine Mutter um ihn weinen«, fügte sie hinzu, merkte jedoch, dass Hayla ihr gar nicht richtig zugehört hatte. Sie griff nach Haylas Arm. »Vorhin warst du sehr mutig, als du vor Sir Ralph getreten bist und ihm deine Meinung gesagt hast. Du hast Glück gehabt, dass er dich nicht auch geschlagen hat.«
    Hayla nickte, und Waline nahm besorgt ihren etwas verträumten Gesichtsausdruck wahr.
    »Sir Bosgard hat mich bereits zum zweiten Mal beschützt.« Ihr Blick ging in die Ferne. »Bosgard de Briscaut ist ein guter Herr.«
    Waline war zwar alt und nie verheiratet gewesen, trotzdem hörte sie in Haylas Stimme einen Klang, der ihr mehr als missfiel.
    »Auch wenn Sir Bosgard nicht so grausam wie Ralph ist, er ist ein Normanne!« Beschwörend redete sie auf Hayla ein. »Die Normannen haben unseren König getötet, unser Land an sich gerissen und uns zu Sklaven gemacht. Wenn es seinen Zwecken dient, dann würde auch Bosgard de Briscaut nicht vor Mord zurückschrecken. Hayla, Mädchen, du darfst ein paar freundliche Worte nicht falsch verstehen – Normanne bleibt Normanne!«
    Walines Worte hatten Hayla erreicht, und sie lächelte schwach.
    »Ich vergesse es nicht, Waline. Keine Sorge, ich weiß, was ich meinem König, meinem Land und auch meinem Volk schuldig bin.« Außerdem sieht Bosgard in mir nicht mehr als eine schmutzige Magd, fügte Hayla in Gedanken hinzu. Mit einem Anflug von Ärger merkte sie, wie dieser Gedanke sie betrübte.

[home]
    5. Kapitel
    E benso wie die anderen hatte Hayla gehofft, Ralph Clemency würde sich dazu entschließen, Penderroc nach diesem Zwischenfall zu verlassen und an den Hof des Königs zurückzukehren oder sich dem Heer anzuschließen, aber er machte keine Anstalten, auch nur die geringste Spur von Bedauern über den Tod des Jungen zu zeigen oder gar Konsequenzen daraus zu ziehen. Hayla konnte nicht wissen, dass Ralph auf Bosgards Besitz ein weitaus angenehmeres Leben führte als im Gefolge des Königs, in dem er nur ein einfacher Ritter ohne besondere Privilegien war. Auch wenn sich Ralph den Befehlen Bosgards unterordnen musste, schlief er auf Penderroc doch in einer eigenen Kammer, bekam mehrmals täglich Essen vorgesetzt und musste sich nicht selbst um seine Kleidung und Rüstung kümmern. Bosgard de Briscaut hatte seinem Schwager durchaus den Vorschlag gemacht, Cornwall zu verlassen – und insgeheim gehofft, Ralph würde diesen Gedanken nur zu gerne aufgreifen –, aber Ralph war neben seiner Grausamkeit und Herrschsucht auch ein bequemer Mensch, der zudem seine Aussichten genau einzuschätzen wusste. Der König würde ihm niemals ein eigenes Stück Land geben, in seinem Gefolge wäre er für den Rest seines Lebens ein unterbezahlter Kämpfer und würde nur die von der königlichen Tafel abfallenden Brotkrumen erhalten. Ralph aber wollte mehr. Unter den Rittern befanden sich ein paar Männer, die seine Meinung teilten und auf die er sich verlassen konnte. Cornwall war weit von London entfernt. Bosgard de Briscaut könnte jederzeit etwas zustoßen, oder im Westen würde es zu einem erneuten Aufstand der Angelsachsen kommen,

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