Geliebter Normanne
Tod hinaus. Bosgard seufzte, als er seinen Brustpanzer und die Reitkleidung ablegte und in eine leichte Tunika aus dunkelgrünem Wollstoff schlüpfte. Das Leben bestand nun einmal aus Erobern und Herrschen – das war schon immer so gewesen und würde auch so bleiben. Warum machte er sich Gedanken, was eine Magd über ihn dachte? Warum verspürte er das Bedürfnis, diesem einfachen Mädchen zu erklären, dass ihr von ihm keine Gefahr drohte?
»Fort mit diesen Gedanken!«, sagte Bosgard laut zu sich selbst und lenkte seine Überlegungen in andere Richtungen. Sein nächster Plan war, seine Kammer mit einem Kamin auszustatten, doch dazu musste das Wetter trockener und wärmer werden, damit die Wand aufgestemmt werden konnte. Überhaupt würde er an der Burg vieles um- und anbauen lassen, um das Gebäude etwas wohnlicher zu machen. So gab es keine Latrinen innerhalb der Mauern, was Bosgard besonders lästig fand. Die Bewohner benutzten Nachttöpfe, die sie irgendwo im Garten entleerten, oder sie gingen gleich ins Freie hinaus, um sich zu erleichtern. Seine Kammer sollte so bald wie möglich einen Latrinenanbau erhalten. Bosgard hoffte, in der Umgebung einen einheimischen und willigen Baumeister und kräftige Männer zu finden, die die vielfältigen Arbeiten ausführen konnten. Natürlich hätte er auch Landsleute nach Cornwall rufen können, aber er war daran interessiert, die Angelsachsen in die neue Herrschaft zu integrieren und damit vielleicht zwar nicht ihre Freundschaft, aber doch ihren Respekt zu erlangen. Bosgard freute sich auf seine erste Lektion in der englischen Sprache, denn bei all den Plänen, die er hatte, war es unumgänglich, die Sprache der Einheimischen zu beherrschen.
Mit einem mulmigen Gefühl im Magen trug Hayla die Platten mit dem gebratenen Wildbret in die Halle und plazierte sie auf den Tischen. Es war ihr stets unangenehm, wenn sie Ralph Clemency unter die Augen treten musste. Auch dem neuen Herrn, diesem Bosgard de Briscaut, misstraute sie zutiefst, obwohl er bisher nichts getan hatte, was ihr oder jemand anderem geschadet hatte. Bosgard saß in der Mitte der langen Tafel an der Stirnseite der Halle, zu seiner Rechten nahm Ralph Platz und auf der linken Seite saß ein hagerer Mönch, der auf den Namen Bruder Pierre hörte. Sein Esel mit dem klangvollen Namen Jesaja war bereits von allen Leute bestaunt, aber auch belächelt worden, denn Bruder Pierre ließ es sich nicht nehmen, das Tier jeden Abend persönlich zu füttern und ihm gute Nacht zu sagen. Hayla schmunzelte nicht über den Mönch, obwohl sie sich wunderte, warum ein Mann Gottes, dessen ungeteilte Liebe dem Herrn im Himmel gelten sollte, derart an einem Nutztier hing. Doch das ging sie nichts an.
Gerade als sie eine Fleischplatte in die Mitte des Tisches stellte, hörte sie Ralph Clemency sagen: »Und, Bruder Pierre, wie geht es Eurem Esel? Ich habe davon gehört, dass in dem Land im Süden, das man Italien nennt, Wurst aus Eselsfleisch eine Delikatesse sein soll. Wenn Euer Jesaja also mal nicht mehr so gut in Form ist, kann er uns immer noch als Mahl dienen.«
Ralph fand seine Bemerkung besonders witzig, und er hieb sich mit einer Hand auf den Schenkel und lachte dröhnend. Bruder Pierre hob entrüstet die Hände, und sein Blick fiel auf die Fleischplatte. Hayla erkannte Furcht in seinen Augen, aber auch Bosgard hatte es bemerkt. Sanft legte er eine Hand auf den Unterarm des Mannes.
»Seid versichert, Bruder, auf diesem Tisch befinden sich nur gesottene Kaninchen und gebratene Tauben. Euer Esel steht unversehrt im Stall.« Bosgard drehte seinen Kopf und fixierte Ralph. »Ich finde deine Äußerung alles andere als angemessen oder witzig, Ralph. Du solltest dich bei Bruder Pierre entschuldigen.«
Ralphs Augenbrauen hoben sich entrüstet.
»Ich mich entschuldigen?« Er schüttelte verärgert den Kopf. »Was kann ich denn dafür, wenn dieses Mönchlein so empfindlich und nicht für einen kleinen Scherz zu haben ist?«
Bosgards Miene ließ vermuten, was er dachte, aber er mochte das Thema nicht weiter verfolgen. Er griff zu einer Kaninchenkeule und murmelte mit einem Seitenblick zu Bruder Pierre: »Lasst es Euch schmecken.«
Hayla, die jedes Wort mit angehört hatte, seufzte erleichtert. Sofort erregte sie Bosgards Aufmerksamkeit. Er hob den Kopf und sah sie an.
»Was ist los, Mädchen?«
Hayla tat, als würde sie ihn nicht verstehen, und zuckte mit den Schultern.
»Der Herr hat dich gefragt, warum du gerade geseufzt
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