Geliebter Normanne
täglichen Pflichten. Sie ließ sich von Bosgard, nachdem dieser angekleidet war, ihr Kleid im Rücken schnüren und schlüpfte in die Holzpantinen.
»Warum trägst du nicht die weichen Lederschuhe, die der Schuster dir gefertigt hat?«, fragte Bosgard erstaunt.
»Weil sie für die Küchenarbeit ungeeignet sind.« Hayla lächelte ihm zu. »Zudem werde ich gleich die Eier im Hühnerstall einsammeln, und ich möchte das Leder nicht beschmutzen.«
»Das ist mal wieder typisch meine Hayla, die immer ihren Kopf durchsetzt, aber genau deswegen liebe ich dich. Du weißt, ich möchte nicht, dass du hier weiter wie eine Magd arbeitetest, aber was habe ich schon zu sagen?« Er zog sie an sich und küsste den Scheitel ihres unbedeckten Haares. »Wenn wir jedoch verheiratet sind, ist Schluss mit Hühnerställen und Ähnlichem, ja?«
Verschmitzt lächelnd verdrehte Hayla die Augen.
»Ja, mein Herr und Gebieter, allerdings muss man den Leuten auf die Finger sehen, damit sie ihre Arbeit ordentlich machen. Außerdem macht es mir Spaß.«
Bosgard seufzte und gab ihr einen Nasenstüber, bevor er das Gemach verließ.
»Dann möchte ich dich nicht länger von deiner Arbeit abhalten. Für mich gibt es auch viel zu tun.«
Als Hayla mit dem mit Eiern gefüllten Korb die Küche betrat, brannte im Herd bereits ein Feuer, und es war mollig warm. Waline rührte den Haferbrei im Kessel und sah nicht auf, als Hayla neben sie trat und den Korb abstellte.
»Die Hühner haben gut gelegt. Das gibt heute für jeden ein frisches Ei. Haben wir noch geräucherten Speck in der Vorratskammer?«
Waline brummte ein paar unverständliche Worte. Hayla trat neben sie und legte eine Hand auf den gebeugten Rücken der alten Frau.
»Waline, ich habe dir längst verziehen, dass du mich über meine Herkunft im Unklaren gelassen hast. Warum bist du mir denn noch böse? Ich dachte, du empfindest für Bosgard inzwischen auch eine gewisse Zuneigung und hast ihn als Herrn anerkannt.«
Waline fuhr wie von einer Nadel gestochen herum.
»Das ist noch lange kein Grund, dass du die Nächte in seinem Bett verbringst. Noch seid ihr nicht Mann und Frau.«
Hayla seufzte. »In unseren Herzen sind wir es, und es kann nicht mehr lange dauern, bis der Bischof eintrifft. Bosgard und ich haben so viel durchmachen müssen, wir möchten uns einfach nicht mehr trennen. Bitte, Waline, gönn mir mein Glück.«
»Darum geht es nicht.« Waline seufzte. »Du weißt, dass ich dich wie eine eigene Tochter liebe. Gerade deshalb sorge ich mich um dich. Was, wenn dieser schreckliche Mandric seine Drohung, König William zu informieren, wahr macht und dieser deine Auslieferung fordert? Du kannst nicht hierbleiben und warten, bis der König ein Heer schickt, du solltest fortgehen. Vielleicht in den Norden zu den Schotten, die den Normannen erbitterten Widerstand leisten. Oder du verlässt das Land …«
»Waline, hör auf!« Eindringlich sah Hayla die Magd an. »Niemals werde ich Bosgard verlassen. Mit ihm an meiner Seite werde ich allen Gefahren mutig entgegensehen und ihnen trotzen.«
»Und wenn du ein Kind bekommst?«
Hayla zuckte kaum merklich zusammen. Bosgard hatte ihr gesagt, wie die Kinder in den Bauch einer Frau kamen und dass man dazu keinesfalls verheiratet sein musste, wie Hayla bisher angenommen hatte. Waline wusste nicht, dass der Herr von Penderroc ihre Bedenken teilte und darum einen zweiten Boten zum Bischof nach Exeter schicken wollte.
»Bis es so weit ist, bin ich längst Bosgards Frau«, antwortete Hayla unbesorgter, als ihr zumute war. Sie vertraute einfach darauf, dass ihr nach all dem Leid der vergangenen Zeit nun etwas Glück beschieden war.
Nach dem regnerischen Frühjahr waren die ersten Juniwochen ungewöhnlich heiß und trocken. Um die Aussaat, die dem Regen nicht zum Opfer gefallen war, zu retten, mussten die Menschen Eimer für Eimer Wasser aus dem nahe gelegenen Fluss herbeischleppen und die Felder bewässern. Im inneren Bereich der Burg lebten jetzt ständig an die hundert Leute. Das Dorf Penderroc vor den Burgmauern schien täglich zu wachsen. Es bot inzwischen etwa tausend Personen Unterkunft und hatte sich zur größten Ansiedlung der Gegend entwickelt. Schnell hatte sich herumgesprochen, dass Lord de Briscaut die Arbeiter nicht nur anständig behandelte, sondern auch gute Löhne zahlte. Unter der Aufsicht von Bruder Pierre war mit dem Bau einer steinernen Kapelle begonnen worden, und Bosgard war dazu entschlossen, beim König einen eigenen
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