Geliebter Normanne
Juli 1068
E s war ein seltsames Paar, das mitten in der Nacht um Einlass bat. Wenig erfreut über die Ruhestörung war der Wirt zur Tür geschlurft und hatte die beiden erst eingelassen, nachdem die Dame ihm eine Goldmünze in die Hand gedrückt hatte. Die Münze glättete ein wenig sein mürrisches Gesicht.
»Gibt jetzt aber nichts mehr zu essen.« Brummig winkte er die beiden durch die leere Gaststube. »Um die Pferde müsst Ihr Euch selbst kümmern, Eure Begleitung kann im Stall schlafen, und Eure Kammern sind oben.«
»Was für ein freundlicher Mann«, flüsterte Constance Aubrey ihrem Begleiter zu. »Aber wenigstens haben wir ein Dach über dem Kopf.«
»Er denkt bestimmt, wir wären ein Liebespärchen auf der Suche nach einem geheimen Schlupfwinkel«, sagte Mandric und kicherte hinter vorgehaltener Hand.
»Das ist völlig lächerlich!« Scharf wies Constance ihn zurecht. »Das Einzige, was einen Mann wie Euch mit einer Dame wie mich verbindet, ist unser gemeinsames Ziel. An mehr mögt Ihr nicht einmal denken.«
Mandric zog den Kopf ein und schwieg. Bereitwillig hatte er sich nach dem Eklat auf Penderroc von Lady Constance anwerben lassen, ihr zu helfen, Bosgard de Briscaut zur Strecke zu bringen. Er hatte auch keine andere Wahl gehabt, denn er besaß weder Geld, um sich durchzuschlagen, noch die Beziehungen, zu König William vorzudringen, um ihm von Hayla zu berichten. Constance Aubrey schien jedoch einen engen Kontakt mit dem König zu pflegen, zudem hatte sie ihm berichtet, es gäbe noch einen Mann, dem daran gelegen wäre, Bosgard lieber heute als morgen tot zu sehen.
Constance Aubrey wurde von ihrer Kammerfrau Luchia und den vier Reitern begleitet, die sie gut bezahlte und die vom König den Befehl hatten, sie zu eskortieren. Auf dem Gesicht des Ritters Jean hatte Constance zwar eine gewisse Missbilligung gesehen, als sie befahl, nicht nach London zurückzukehren, aber der Mann wusste, wem er verpflichtet war und welche Konsequenzen ihm drohten, wenn er ihren Wünschen nicht nachkam. Vorerst konnte Constance die Gegend jedoch nicht verlassen und an den Hof zurückkehren, denn sie musste unbedingt mit Ralph Clemency sprechen. Da sie allerdings nicht wusste, wo er sich aufhielt, musste sie darauf warten, dass er zu dem ausgemachten Treffpunkt kam. Sie hatten vereinbart, sich ein Mal in der Woche bei dem keltischen Kreuz zu treffen. Ihre nächste Zusammenkunft war jedoch erst in zwei Tagen, und so lange würden sie sich eben hier verbergen müssen. Das Gasthaus lag einsam und abseits des Weges in Richtung der Südküste, kaum vier Meilen von Penderroc entfernt, und es schien einigermaßen sauber zu sein. Auch wenn der Wirt unfreundlich war – Constance legte keinen Wert auf Freundlichkeit, Hauptsache, sie hatte einen Platz gefunden, wo sie ihre Pläne schmieden konnte.
Nach einer unruhigen Nacht bat sie den Wirt um ein Stück Pergament und Tinte, woraufhin er sie mit offenem Mund anstarrte, als hätte sie um etwas völlig Unmögliches gebeten. Da der Wirt weder lesen noch schreiben konnte, waren diese Utensilien in der Herberge nicht vorrätig. Erst als ein paar weitere Münzen aus Constances Börse in die Hand des Wirtes wanderten, versicherte er, das Benötigte in der Nachbarschaft aufzutreiben. Gegen Abend schrieb Constance ein paar Zeilen und befahl zweien ihrer Begleiter, unverzüglich nach London aufzubrechen und das Schreiben niemand anderem als dem König zu übergeben.
»Wenn Ihr es verliert oder sonst jemandem übergebt, dann sorge ich eigenhändig dafür, dass Ihr hingerichtet werdet.« Der harte Blick aus Constances Augen unterstrich ihre Drohung, und die beiden Reiter versicherten, ihren Befehl schnell auszuführen. Danach bestellte Constance für sich, Luchia und Mandric Essen und Krüge mit Bier. Jetzt blieb ihr nichts anderes zu tun, als zu warten.
Drei Tage später gesellte sich Ralph Clemency zu der Gruppe. Er hatte mit Hilfe von Constances Goldmünzen drei Dutzend Männer an seiner Seite, und als er den Gastraum betrat, in dem Constance ihm erwartungsvoll entgegensah, nickte er mit einem verschlagenen Lächeln.
»Es ist alles zu Eurer Zufriedenheit geschehen, Mylady. Bosgard de Briscaut wird bis in alle Ewigkeit auf den Bischof von Exeter warten, der niemals in Penderroc eintreffen wird.«
»Was habt Ihr mit ihm gemacht?«
Ralph zuckte mit den Schultern und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Er befahl dem Wirt, einen Krug Bier zu bringen. Die beiden hatten keine Sorge,
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