Geliebter Rebell
Skizze verwirrt mich, weil sie genauso aussieht wie eine von Brent – haargenau. Als hätten mein Mann und dieser andere Künstler, der vermutlich vor zweihundert Jahren lebte, dieselbe Szene gesehen, aus derselben Perspektive.«
Interessiert hob Geoff die Brauen. »Klar, ich komme zu euch.
Was sagt Brent dazu?«
»Ich habe ihm die Skizze nicht gezeigt.«
»Oh…«
Sie wich seinem Blick aus. »Ich stöberte sie nach jener Nacht auf, wo er sich zum erstenmal so merkwürdig benommen harte. Ich weiß nicht, warum – aber es widerstrebte mir, ihn mit dieser Skizze zu konfrontieren.«
Die Tür öffnete sich, und Brent trat ein. Gayle musterte ihn besorgt. Als er lächelte, sprang sie erleichtert vom Schreibtisch und begrüßte ihn mit einem Kuß. »Wie war’s?« fragte sie eifrig.
»Okay.« Er schaute an ihr vorbei auf Geoff und schnitt eine Grimasse. »Meine Frau hat Alpträume und schreit wie am Spieß, und ich lebe im Schlaf Rambo-Fantasien aus…« Er verstummte, weil Geoff keine Verwunderung zeigte, und sah Gayle mißtrauisch an. Anscheinend ahnte er, dass sie ihren Freund eingeweiht hatte. Doch dann zuckte er mit den Schultern, als würde es ihm nichts ausmachen, und lächelte wieder.
»Nun, ich bin kerngesund. Tapfer wie ein Trojaner habe ich den ganzen psychiatrischen Quatsch durchgestanden, das schwöre ich. Geduldig starrte ich auf Tintenkleckse und präsentierte mein ganzes Leben wie ein offenes Buch. Und dann erfuhr ich, mit mir ist alles in Ordnung.«
»Wundervoll!« jubelte Gayle.
»Gehst du mit uns essen, Geoff?« fragte Brent.
»Bist du nur höflich? Wollt ihr nicht lieber allein sein?«
Brent schüttelte den Kopf und drückte Gayle an sich. »In einem Restaurant wären wir ohnehin nicht allein. Also komm mit.«
Neugier und tiefe Zuneigung zu den beiden bewogen Geoff, zuzustimmen. Welch ein attraktives Paar! Gayle in einem weichfallenden grauen Seidenkleid mit Schulterpolstern, Brent in brauner Lederjacke, schickem Hemd und Jeans, sie hellblond, er dunkelhaarig, ein Märchenprinz und seine Prinzessin mit dem Engelshaar…
Aber man sah Gayle ihren Kummer an. Schatten lagen unter ihren Augen, und ihr Gesicht war schmaler geworden. Heute abend bemerkte Geoff auch an Brent gewisse Spuren von privaten Schwierigkeiten. Die Bräune wirkte fahl, die winzigen Fältchen um die Lider hatten sich vertieft. Trotzdem sah er glücklich aus. Er erzählte von den Pferden und erklärte, er würde die Stuten malen. »Vielleicht mit Gayle.« Boshaft grinste er sie an.
»In Lady Godiva-Pose.«
Sie bestellten Champagner und ein mehrgängiges Menü.
Brent war zum Feiern zumute. Aber Gayles immer noch sorgenvolle Miene entging Geoff nicht. Sie war ungewöhnlich still.
Beim Kaffee faßte sie ihren Kummer endlich in Worte, und Geoff fragte sich, ob sie seine Anwesenheit vergessen hatte.
»Brent, wenn Dr. Shaffer festgestellt hat, dass dir nichts fehlt – was geschieht dann mit uns?«
»Was meinst du?« Der Kaffeelöffel, mit dem er in seiner Tasse hatte rühren wollen, blieb plötzlich in der Luft hängen.
»Du wurdest mehreren Tests unterzogen, mit positivem Ergebnis. Also – was stimmt nicht mit dir?«
Er drückte ihre Hand. »Alles ist in Ordnung. Ich muss geträumt haben, und du hast übertrieben reagiert.«
»Oh?«
»Das meint Dr. Shaffer. Natürlich schlug er mir noch ein paar Therapiestunden vor.«
»Und?«
Brent seufzte. »Ich habe zugesagt. Okay?«
Langsam nickte sie. Er feixte ermutigend, dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf Geoff.
Vor dem Lokal trennten sie sich. Im Mustang, allein mit Brent, sorgte Gayle sich immer noch wegen der Diagnose, die Dr. Shaffer gestellt hatte. »Hast du ihm wirklich alles erzählt, was passiert ist?«
Er warf ihr einen raschen Blick zu. »Ich habe wiederholt, was du behauptet hast. Denn ich selbst erinnere mich ja an nichts.«
»Hm«, murmelte sie. Brent war also normal – und sie verrückt. Warum mussten sich die Dinge auf diese Weise entwickeln?
»Hör auf, Trübsal zu blasen!« Lachend zauste er ihr Haar.
Dann zuckte sie verwirrt zusammen, weil er an den Straßenrand fuhr und anhielt. Er nahm sie in die Arme, küßte sie, und seine Augen verrieten Erregung und die alte Selbstsicherheit.
»Alles ist in bester Ordnung, Mrs. McCauley. Und alles wird immer in Ordnung sein. Ich liebe dich, bis der Tod uns scheidet.«
»Was?«
Er schaute sie seltsam an und lächelte. »Ich liebe dich, bis der Tod uns scheidet.«
Immer noch unbehaglich,
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