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Geliebter Schuft

Geliebter Schuft

Titel: Geliebter Schuft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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findet er womöglich nicht hin.«
    »Wir sollten ihm raten, den Namen seiner Zukünftigen lieber für sich zu behalten«, meinte Prudence. »Nur für den Fall, dass die Rede darauf käme und er ihn unabsichtlich erwähnt.«
    »Ach, was für ein wirres Gespinst wir doch weben«, seufzte Constance. »Ich werde froh sein, wenn wir diese zwei Turteltäubchen sicher in den Hafen der Ehe gelotst haben.«
    Henry war ein schweigsamer Tischgenosse, griff herzhaft zu und trank sehr mäßig, doch er machte nun einen viel unbefangeneren Eindruck, und als die Schwestern aufstanden und ihn fragten, ob er ein Glas Port wollte, erklärte er, er tränke nie etwas Stärkeres als Wein oder Sherry und leiste ihnen daher gern im Salon Gesellschaft, wo er ihnen, falls sie darauf Wert legten, etwas vorspielen könnte. Ihm war der prachtvolle Flügel in dem Raum aufgefallen.
    »Wunderbar«, sagte Constance, »vielen Dank.«
    Da lächelte er, und es war ein sehr angenehmes Lächeln, das den Schwestern eine leise Ahnung vermittelte, was Amelia an ihm liebenswert gefunden hatte. Und sie verstanden es vollends, als Henry zu spielen anfing. Er war wie verwandelt. Verschwunden war der schüchterne, unscheinbare Schwächling, und an seine Stelle war ein selbstbewusster, von seinem Talent überzeugter Mann getreten. Und talentiert war er. Seine Technik war untadelig, die Interpretation voller Fantasie und Empfindung.
    Fast zwei Stunden saßen sie reglos da, während er unermüdlich spielte, meist aus dem Gedächtnis. Ein-oder zweimal pausierte er zwischen den Stücken und massierte seine langen Finger, doch sie hatten das Gefühl, er schwebe in höheren Sphären. Seine Miene war entrückt und völlig geistesabwesend, verloren in der Welt seiner Musik.
    Als er schließlich nach einer munteren Folge von Chopin-Walzern Schluss machte, klatschten die Schwestern spontan Beifall. »Das war wundervoll, Henry«, sagte Chastity. »Kein Wunder, dass Büroarbeit nichts für Sie ist. Wäre ich so begabt, ich würde nur musizieren wollen.«
    Er strahlte und errötete vor Freude. »Sehr liebenswürdig von Ihnen.«
    »Nein«, sagte Constance, »nicht liebenswürdig, sondern vollkommen aufrichtig. Wir werden eine Möglichkeit finden, dass Sie Ihr Talent nützen können, im Moment aber müssen wir uns an den ursprünglichen Plan halten.«
    »Solange mir ein Klavier zur Verfügung steht, bin ich bereit, andere Arbeit zu machen. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, hinter mir liegt ein langer Tag.« Er empfahl sich mir einer steifen kleinen Verbeugung.
    »Das war fast eine Offenbarung, obwohl es eigentlich keine hätte sein sollen«, sagte Prudence gähnend. »Aber Amelias Wahl erscheint mir jetzt verständlicher.«
    Henry war sichtlich erleichtert, dass er nicht allein nach Westminster gehen musste. Er nickte, als Constance sagte, er solle Amelias Namen in dem bevorstehenden Gespräch nicht erwähnen. »Ich wüsste nicht, warum es notwendig sein sollte«, sagte er. »Mein Privatleben geht einen eventuellen Arbeitgeber nichts an.«
    Sie nahmen den Omnibus nach Westminster, und Constance klingelte an der Tür des Hauses in der Canon Row.
    Max öffnete persönlich. »Guten Morgen, Constance. Ich hatte nicht erwartet, dich zu sehen.« Er schüttelte ihre Hand mit ernster Förmlichkeit.
    »Da Mr. Franklin in London neu ist, hielt ich es für angebracht, die Vorstellung persönlich zu übernehmen«, sagte Constance. »Mr. Franklin, der Sehr Ehrenwerte Max Ensor.«
    Die zwei Männer wechselten einen Händedruck, wobei Henry sein größeres, weltmännische Eleganz ausstrahlendes Gegenüber aufmerksam musterte. Max' Cut war auf den ersten Blick als Produkt erlesener und kostspieliger Schneiderkunst zu erkennen, so dass Henry sich in seinem aus Ashford stammenden Gehrock daneben sehr provinziell vorkam.
    »So, alles andere überlasse ich jetzt euch«, sagte Constance. »Sie finden doch wieder zurück, Henry?«
    »Wäre ich so unfähig, würde Mr. Ensor wohl kaum in Betracht ziehen, mich einzustellen«, sagte Henry mit einem erstaunlichen Anflug von Schärfe.
    »Ganz recht«, beeilte Constance sich zu antworten. »Ich war wohl übertrieben gluckenhaft. Verzeihen Sie.«
    Max zog die Brauen so hoch, dass sie fast im Haaransatz verschwanden, und starrte sie mit offener Belustigung an. »Gluckenhaft?«
    »Guten Morgen, Mr. Ensor«, sagte Constance, die sich abwandte, um ihr Lachen zu verbergen.
    Sie ging über die Westminster Bridge und winkte dann eine Droschke heran, die

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