Geliebter Schuft
verheiratet sind, geht es ihn ohnehin nichts mehr an.«
»Ja, das mag sein«, sagte Amelia seufzend. Dann hellte sich ihre Miene auf. »Er schenkte mir einen Ring, Chastity. Einen so hübschen Verlobungsring.«
»Und am Donnerstag bekommen Sie den Ehering dazu.« Chastity drückte Amelia rasch an sich. »Jetzt müssen wir für Henry nur noch eine Wohnung suchen.«
»Ich glaube, das erledigt Henry allein«, sagte Amelia leise. »Sie und Ihre Schwestern haben schon genug getan.«
»Wie Sie meinen. Wir möchten uns nicht aufdrängen.«
Amelia legte eine Hand auf Chastitys Arm. »Sobald wir verheiratet sind, wird Henry die Pflichten eines Ehemannes übernehmen. Das verspreche ich.«
»Ach, ich glaube Ihnen«, erwiderte Chastity. »Gestern hat er uns auf dem Klavier vorgespielt, und das war großartig.«
Amelia lächelte. »Ja«, sagte sie. »Großartig.« Sie blieb einen Moment in nachdenklichem Schweigen stehen, dann rief sie: »Komm, Pammy, Zeit, zu gehen.«
Am Mittwochnachmittag lag eine große Auswahl Schnittrosen auf dem Tisch in der Halle, von Dornen befreit, die Stängel säuberlich in Seidenpapier gehüllt. Chastity machte sich damit zu schaffen, ordnete sie nach Farben, um sie dann wieder durcheinander zu mischen. »Sehr exzentrisch, dieser Einfall«, sagte sie und tat die einzige weiße Rose beiseite, »Rosen zu verteilen.«
»Eine zauberhafte Geste«, sagte Prudence bestimmt. »Die Leute werden begeistert sein. Meine einzige Sorge ist, dass Millicent uns im Stich lässt. Wir wissen, dass Anonymus kommen wird, da er dafür bezahlt hat, aber was ist, wenn Millicent ihre Absicht ändert, weil sie Kopfschmerzen oder eine wichtigere Verabredung hat?«
»Darüber zerbrechen wir uns im gegebenen Fall den Kopf«, sagte Constance ein wenig zerstreut. Sie las einen Brief, der eben abgegeben worden war. »Max entschuldigt sich, er kann nicht kommen, lädt mich aber für heute zum Dinner im Unterhaus ein.«
»Wirst du hingehen?«
Constances Antwort erübrigte sich, da ihr Blick alles sagte.
»Zieh das grünschwarze Seidenkleid an«, riet Prudence mit einem Auflachen.«Es ist hinreißend.«
»Und dazu trägst du Mutters Diamanten«, sagte Chastity. »Mit dem prachtvollen smaragdgrünen Schal.«
»Wie ihr wollt«, gab Constance sich einverstanden. »Ich will mich mit euch nicht streiten.« Sie ging zum Salon, als an der Tür geklingelt wurde. »Jenkins, vergessen Sie nicht die weiße Rose für Miss Hardcastle.«
»Ich habe sie nicht vergessen, Miss Con«, erklärte der unerschütterliche Butler, als er an die Haustür ging.
Die Schwestern wechselten rasch ein Lächeln. »Ich verschwinde jetzt«, sagte Chastity. »Viel Glück.« Sie kreuzte die Finger und ging hinauf, um den Ausgang des Nachmittags abzuwarten. Ihre Schwestern bezogen eilends im Salon Stellung, um ihren Gast zu empfangen.
Anonymus erschien pünktlich um halb vier. Er übergab Jenkins seine Karte, erklärte den Grund seines Kommens und wurde in den Salon geführt. Die kleine Gruppe, die sich bereits versammelt hatte, unterhielt sich gedämpft, wenn auch in wechselnder Lautstärke. Alle Damen hatten sich Rosen angesteckt, ein rascher Blick aber zeigte, dass keine weiße darunter war.
Jenkins kündigte ihn an: »Arthur Melville, Esquire.«
Constance eilte herbei und sagte im genau passenden fragenden Ton: »Ich glaube, wir hatten noch nicht das Vergnügen, Mr. Melville. Ich bin Constance Duncan.«
»Verzeihen Sie mein Eindringen«, sagte er. »Mir kam zu Ohren, Lord Jersey würde heute hier sein. Ich muss ihn dringend sprechen.«
Constance ließ ihren Blick suchend durch den Salon schweifen. »Es tut mir Leid, er ist noch nicht da. Vielleicht erscheint er später. Kommen Sie, damit ich Sie meiner Schwester vorstellen kann. Sie nehmen doch Tee?«
Sie wechselte einen vielsagenden Blick mit Prudence, als sie ihn vorstellte. Millicent ließ sich noch immer nicht blicken. Der nun nicht mehr anonyme Klient schaute ein wenig unruhig um sich, bewahrte aber Haltung, als er den anderen Gästen vorgestellt wurde.
»Miss Hardcastle, Miss Duncan«, kündigte Jenkins an, und Millicent trat ein, die weiße Rose am Kleid.
»Constance, Prudence, entschuldigt meine Verspätung«, sagte sie, als sie mit ausgestreckten Händen auf die Schwestern zuging. »Eines unserer Hausmädchen hatte schreckliche Zahnschmerzen und hafte Angst, allein zum Arzt zu gehen.«
Millicent, weder reizlos noch auffallend hübsch, hatte ansprechende Züge, die auf ein ebensolches
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