Geliebter Teufel
Glück, daß ich fliehen konnte.«
»Por Dios, wie ist dir das gelungen?«
Miranda seufzte schwer. Die Reise von Arroyo Aguajes war lang, aber sie hatte das Bedürfnis gehabt hierherzukommen. Sie war nicht sicher, wann sie ihre Mutter Wiedersehen würde.
»Als die Schießerei anfing, hat einer der Vaqueros, ein Mann namens Ruiz Domingo, die Frauen und Kinder tiefer in die Berge geführt. Wir hatten immer schon vorgehabt, sollte so etwas passieren, uns an der Höhle in den Bergen zu treffen. Die Männer sind jetzt dort versammelt. Sie wollen am Abend vor der Hinrichtung nach San Juan reiten und die Gefangenen befreien, habe ich gehört.«
»Por Dios - sie werden alle erschossen werden!«
»Das glaube ich nicht. Sie werden sich anschleichen, ins Gefängnis einbrechen, dann nach Süden durch ein altes, trockenes arroyo, das sich um die Stadt zieht, wegreiten. Der Plan ist gut, denke ich.«
Rita umarmte ihre Tochter. Ihr voller Körper stand so sehr im Gegensatz zu der schlanken Figur Mirandas. »Du darfst nicht mehr darüber sagen. Señor Austin würde wütend werden.«
»Ich habe es nur dir erzählt. Bleiben kann ich nicht. Ich kehre in die Berge zurück.« Trotz ihrer dunklen Haut schimmerten ihre Wangen plötzlich rosig. »Ich werde mit Ruiz gehen. Er ist ein netter Vaquero, Mama, und ich mag ihn.«
Rita umfaßte mit ihren kräftigen Händen das Gesicht ihrer Tochter. »Ich bin froh, daß du hier warst. Sobald du einen festen Platz hast, kannst du mich wieder besuchen, ja?«
»Si, Mama. Das hoffe ich.«
»Du mußt noch etwas essen, ehe du dich auf den Weg machst. Du bist viel zu dünn.« Rita drückte ihrer Tochter die Hand. »Ich habe gerade ein paar Tamales und eine frische Portion Tortillas gebacken. Dafür hast du doch Zeit, oder?«
Miranda lächelte. »Si, aber ich muß mich beeilen. Man hat mir gesagt, Señor Austins Nichte ist hier. Wenn sie merkt, daß ich auch hier bin, könnte es sein, daß ich nicht länger willkommen bin.«
Rita runzelte die Stirn, sagte aber nichts dazu. Sie machte sich mehr Sorgen um ihre Tochter und wünschte sich, ihr Kind könnte länger bleiben, aber im Moment war es nicht sicher. Sie war nur froh, daß Señor Fletcher nichts von diesen Dingen erfuhr. Sonst würde er in der Nacht des Überfalls in San Juan Bautista sein.
Angel de la Guerra saß allein in der Zelle des kleinen, unbequemen Gefängnisses von San Juan Bautista. In einer anderen Zelle, am entgegengesetzten Ende, hockten Pedro Sanchez und drei von El Dragons Vaqueros auf dünnen Maisschotenmatten oder auf dem harten Holzboden. Sheriff Jeremy Lay ton saß in seinem Büro in einem separaten Gebäude, ein paar Dutzend Meter von ihnen entfernt.
Auf dem Platz vor der Mission war bereits ein provisorischer Galgen errichtet worden, an dem vier Schlingen befestigt waren. Die Schlingen des Henkers. Und eine davon wartete auf Angel de la Guerra.
Er saß auf dem Boden seiner Zelle, und es zuckte spöttisch um seine Mundwinkel. Immer schon hatte er gewußt, daß es einmal so kommen würde. Er konnte sich glücklich schätzen, daß er dem Galgen entkommen war, nachdem er den ersten Mord begangen hatte. Selbst wenn er ihnen gestand, er wäre nicht El Dragon, würde ihn das nicht mehr retten. Er hatte sich in Llano Mirada versteckt gehabt, auf die Leute des Suchtrupps geschossen und mindestens vier der Männer verwundet.
Außerdem wurde er für den Mord an einer der Wachen im Gefängnis gesucht, aus dem er entkommen war.
Es war beinahe zum Lachen. Andreas war El Dragon gewesen, aber Andreas war tot. Ramon de la Guerra hatte auch unter dem Namen agiert, aber Angel war auch ein de la Guerra. Warum sollte er sich nicht ein wenig in dem Ruhm sonnen? Nun, wenn er schon sterben mußte, warum sollte er den Ruhm dann nicht ganz für sich beanspruchen?
Er lachte trocken auf. Ramon würde nie die Wahrheit eingestehen und ebensowenig einer seiner Männer. Angel konnte zur Legende werden, fast so wie der berühmte Bandit Joaquin Murieta.
Ja, wenn er gehängt werden würde, dann wollte er wenigstens etwas davon haben. Er lehnte sich gegen die kalte, harte Wand der Zelle. Eine Küchenschabe huschte über den Boden zu seinen Füßen, und der Geruch nach Feuchtigkeit und Urin wehte ihm in die Nase. Wenn er die Wahl zwischen dem Tod oder einem Platz wie diesem hier hatte, wollte er lieber in den Tod gehen.
Er zerdrückte die Küchenschabe mit der Ferse seines Stiefels. Das häßliche Knirschen hallte von den Wänden der Zelle wider.
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