Geliebter Teufel
ihrem Pferd über den grasbewachsenen Platz vor der Mission stürmte. Ein wenig nach rechts befand sich die schwere, mit Schnitzereien verzierte Tür der Kirche. Sie zügelte ihre Stute, sprang vom Sattel, verlor ihr Gleichgewicht, kam hart auf und verstauchte sich ihren Knöchel.
Sie schimpfte wenig damenhaft vor sich hin, riß die Röcke ihres pflaumenfarbenen Kleides hoch und humpelte, so schnell sie konnte, durch die schwere Holztür in das Innere der Kirche, stieg die Treppe zur Chorempore und den Seilen hinauf, mit denen die Glocken in der campanario geläutet wurden, der hohen Glockenwand neben der Kirche. Bis sie Ramon entdeckt hatte, ritt er schon in die Stadt, und es war zu spät, ihn aufzuhalten. Sie hatte nur noch die Möglichkeit, ihn zu warnen.
Sie wußte, welches Risiko sie dabei einging. Ihr waghalsiger Plan mochte ihn in noch größere Gefahr bringen, doch es war die einzige Möglichkeit.
Sie betete im stillen, daß er verstehen würde, was ihre schreckliche Warnung zu bedeuten hatte.
Bei jedem Schritt, den sie die Treppe hinaufstieg, zuckte sie vor Schmerz zusammen. Sie schaute zu den drei Glocken empor, die jede in einer der Rundbogenöffnungen hing. Sie faßte nach dem langen Seil, das an der obersten befestigt war, zog mit aller Kraft daran und begann die große eiserne Glocke zu läuten.
Von dem laut klingenden Metall ging ein Zittern aus, das sie über das Seil bis in ihren Arm spürte. Der Klang der Glocke hallte über den weiten Kirchenplatz. Er wurde bis zur Segundo Street getragen, weiter bis Castro, und begann die Leute zu wecken. Vorhänge wurden aufgerissen, Köpfe erschienen in den Fenstern, Leute kamen aus ihren Häusern gelaufen, um zu sehen, was passiert war. Zu dieser Nachtzeit fand in der Kirche nichts statt, weder eine Hochzeit noch ein Begräbnis. Irgend etwas mußte passiert sein.
Am Rande der Stadt fluchte Ramon beim Klang des Geräuschs. In wenigen Sekunden war die ganze Stadt auf den Beinen und würde von den ausgebrochenen Banditen erfahren. Der Sheriff und seine Männer konnten ihnen sofort folgen. Gern hätte er gewußt, wer, zum Teufel, da die Alarmglocke läutete, dann runzelte er die Stirn über die Ironie des Schicksals. Andreas war durch den Klang der Glocke gefallen, jetzt schien er an der Reihe zu sein.
Ramon verkrampfte sich der Magen, als ihn eine ungute Vorahnung beschlich. Sie war so stark, daß er sie nicht abzuschütteln vermochte. Fast hatten sie das arroyo erreicht. In wenigen Sekunden konnten sie in dem trockenen, alten Flußbett außer Reichweite sein und befanden sich fast in Sicherheit.
Oder nicht?
»Halt!« kommandierte er, hob einen Arm und hielt die Männer, die hinter ihm herdonnerten, an. »Wir werden eine andere Route nehmen, reitet über den Kirchplatz, den Berg hinunter zum Fluß. Umkehren, auf der Stelle!«
Sie warteten keine Erklärung ab. Zu oft hatte El Dragon in der Vergangenheit recht gehabt, weil er seinem Instinkt gefolgt war - und immer war das ihre einzige Rettung gewesen. Jetzt sagte ihm dieser Instinkt, daß es sicherer für sie war, in die entgegengesetzte Richtung zu reiten und nicht in das ausgetrocknete Flußbett.
Die Männer wendeten ihre Pferde, gaben ihnen die Sporen und drängten sie wieder zum gestreckten Galopp. Ein Gewehrschuß erklang, dann ein weiterer und noch einer. Die Schüsse kamen nicht aus der Stadt, sondern von irgendwo hinter ihnen. Bei einem Blick über die Schulter bemerkte Ramon, daß eine Gruppe Männer auf Pferden aus dem Flußbett in die Stadt geprescht kam. Seine eigenen Männer erwiderten das Feuer, drosselten aber nicht ihr Tempo. Einer der Männer fiel, einen anderen traf eine Kugel in die Schulter, aber er ritt weiter.
Ramon riß seine Pistole aus dem bandolero auf seiner Brust und feuerte über die Schulter. Er traf einen der Männer, während Ignacio einen weiteren verwundete. Sie ritten an der Kirche vorbei, und die Männer, die ihm bereits ein gutes Stück voraus waren, hatten bereits den Kamm erreicht und stürmten zum Fluß hinunter. Ramon folgte ihnen nicht. Statt dessen beugte er sich weit über Vientos Hals, riß das Pferd zur Seite, ritt links um den Platz herum und gelangte auf die Rückseite der Mission.
An der Wand des Glockenturms entdeckte er, was er geahnt hatte: Caralees Palominostute und seine Frau, die mit schmerzverzerrtem Gesicht auf ihn zuhumpelte.
»Ramon!« rief sie, als sie ihn sah. Sofort sprang er vom Pferd, lief zu ihr, fing sie auf und hob sie in den Sattel
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