Geliebter Teufel
lebender Verwandter. Er hat ihr Geld geschickt und dafür gesorgt, daß sie ein Mädchenpensionat besuchen konnte und eine Ausbildung erhielt. Candelaria sagt, die Señorita ist ihm dankbar für alles, was er für sie getan hat. Sie gehorcht ihm, auch wenn sie nicht seiner Meinung ist. Er war es, der ihr nicht erlaubte, mit dir zu tanzen. Er hat sie gewarnt, dich in keiner Weise zu ermuntern. Candelaria sagt, das Mädchen hätte sich dafür geschämt, wie sie dich an dem Tag behandelt hat, als du ihr die Rose geschenkt hast. Candelaria meint, es wäre nicht die Art der Señorita, anderen gegenüber unfreundlich zu sein.«
Ramon wurde mulmig zumute. Er hatte mehr als einmal Fehler in seinem Leben gemacht, aber keiner war so schlimm gewesen wie dieser.
»Ich habe ihr großes Unrecht getan.«
»Si, das stimmt, aber zumindest weißt du jetzt die Wahrheit.«
Ramon begann am Fuß des Bettes auf und ab zu gehen. »Ich werde es wiedergutmachen. Ich finde einen Weg - das schwöre ich.«
Hinter ihnen regte sich die Frau. Ramon war an ihrer Seite, als sie die Augen öffnete.
»Sie!« schrie sie entsetzt auf und war sofort hellwach. Sämtliche Farbe wich aus ihrem hübschen Gesicht. »Was ... was machen Sie in meinem Schlafzimmer?«
Pedro schwieg klugerweise und stahl sich aus dem Raum.
Ramon lächelte. »Ich fürchte, das ist mein Schlafzimmer, chica , nicht Ihres.«
Sie erschrak, als ihr klarwurde, daß das die Wahrheit war, und erzitterte. Einen Moment lang stand ihr die Angst in den Augen.
Im stillen fluchte Ramon. »Haben Sie keine Angst, niña. Ich werde Ihnen nicht weh tun. Ich gebe Ihnen mein Wort.«
»Ihr Wort?« Sie richtete sich auf und lehnte sich gegen das Kopfende. Durch die kleine Bewegung zitterte sie sofort am ganzen Körper vor Schwäche. »Welchen Wert hat das Wort von einem Mann wie Ihnen?«
»Mehr als Sie vermutlich glauben«, erwiderte er leise. »Aber ich bin Ihnen nicht böse, daß Sie daran zweifeln. Doch ich möchte nicht, daß Sie sich überanstrengen. Sie waren schwer erkrankt, und es ging Ihnen lange schlecht. Sie brauchen Zeit, um sich zu erholen und zu Kräften zu kommen. Bleiben Sie ruhig, Kleines. Ich werde Florentia bestellen, daß sie Ihnen etwas zu essen bringen soll.«
Der Spanier verließ das Zimmer, und Carly starrte ihm verwundert nach. Sie wurde ein ungutes Gefühl nicht los und merkte, daß sie noch schwach war. Dennoch versuchte sie, sich damit auseinanderzusetzen, was sich hier gerade abgespielt hatte, aber das wollte ihr nicht recht gelingen. Seine Freundlichkeit mußte sie sich eingebildet haben. Er besaß nicht die Spur davon.
Sie schaute sich in dem kleinen, gemütlichen Zimmer um, betrachtete die bunte Quiltdecke auf dem alten Eisenbett, den handgewebten Teppich auf dem festgestampften Lehmboden.
An der gegenüberliegenden Wand befand sich eine grobgezimmerte Kommode, im selben Stil wie der Tisch neben dem Bett, auf der eine blaue Porzellanschüssel mit einem Gefäß stand.
Carly wehrte sich gegen das unangebrachte Herzklopfen und die Spannung im Magen. Sie versuchte, das wenige, was sie wußte, zusammenzusetzen. Sie lag im Schlafzimmer des Don in seinem kleinen spanischen Haus in den Bergen. An einem Ort, der Llano Mirada genannt wurde. Sie war von El Dragón entführt worden, einem Mann, der ihr die Schuld am Tod seines Bruders gab. Carly fröstelte, als sie daran dachte. Lieber Gott, was würde er machen?
Sie umklammerte die Quiltdecke fester. Wie lange war sie schon hier? Er hatte gesagt, sie sei lange krank gewesen. So schwach, wie sie sich fühlte, mußten es tatsächlich mehr als ein oder zwei Tage gewesen sein. Sie musterte das weiße Baumwollnachthemd, das sie trug. Es war größer als ihr eigenes, makellos sauber und duftete stark nach Kernseife. Wem gehörte es? Warum hatte diejenige es ihr gegeben? Wer kümmerte sich um sie - und warum hatte der rücksichtslose Don sich überhaupt die Mühe gemacht, jemanden für sie sorgen zu lassen?
Plötzlich war ihr kalt, und Carly zog die Quiltdecke bis zum Kinn hoch. Warum auch immer, früher oder später würde sie es schon erfahren. Müde schloß sie die Augen und wünschte sich fast, sie wäre nicht wieder aufgewacht.
Ramon verließ leichten Herzens das Haus. Lange würde dieses Gefühl nicht währen, das wußte er. Da das Mädchen außer Gefahr war, mußte er zur Hazienda zurückkehren. Er hatte bereits wesentlich länger damit gewartet, als er wollte. Er konnte es sich nicht leisten, Verdacht zu erregen,
Weitere Kostenlose Bücher