Geliebter Teufel
und versuchte, die Knoten auszubürsten, als es zum zweiten Mal klopfte. Sie schaute auf und sah den Don hereinkommen.
Carly zog sich der Magen zusammen, aber der Spanier lächelte nur. Ganz anders, als sie erwartet hatte, eher so wie an dem Tag, als sie ihm zum ersten Mal begegnet war. Ein kalter Schauer rieselte ihr über den Rücken.
»Señorita McConnell, wie ich sehe, geht es Ihnen viel besser«, begrüßte er sie.
Sie schaute ihm ins Gesicht und zuckte innerlich zusammen. Das Gesicht kannte sie gut und wußte auch, wie es aussah, wenn es sich verhärtete und er kalt wurde, wie die Augen mitleidlos durchdringend auf jemandem ruhen konnten. Im Geiste sah sie vor sich, wie sie von Rancho del Robles entführt und auf diese brutale Reise durch die Berge verschleppt worden war. Sie überlegte, was ein Mann wie er wohl als nächstes mit ihr anfangen mochte, und Angst erfaßte sie. Der Don mußte es bemerkt haben, denn sein Lächeln erstarb.
»Es tut mir leid. Ich bin nicht hergekommen, um Ihnen angst zu machen. Was passiert ist... das war ein Fehler. Ein großer, schrecklicher Fehler. Es wird Ihnen hier kein Leid geschehen. Ich hoffe, Sie glauben mir das.«
Carly sprang auf und ärgerte sich, daß sie ihm ihre Schwäche offenbart hatte. Doch noch mehr ärgerte sie sich über ihn. »Warum sollte ich? Warum sollte ich irgend etwas glauben, das ein Mann wie Sie sagt?«
»Weil es die Wahrheit ist.«
Sie erinnerte sich an die kalten Nächte, die sie unterwegs verbracht hatte, die rücksichtslose Art, wie er sie gezwungen hatte, zu Fuß zu gehen, und schon breitete sich erneut Furcht in ihrem Innern aus. Sie reckte ihr Kinn. »Ich glaube Ihnen nicht. Sie sind gemein, verachtenswert, ein Bandit und vermutlich ein Mörder. Sicherlich stecken Gründe dahinter, warum Sie sich um mich gekümmert haben. Vermutlich selbstsüchtige Pläne.«
Er schaute sie an. »An Ihrer Stelle würde ich genauso empfinden. Mit der Zeit werden Sie erkennen, daß es nicht so ist.«
Carly dachte darüber nach. Sie vermochte es nicht zu glauben, nicht auch nur einen Moment. »Wenn es stimmt, was Sie sagen, warum haben Sie dann so plötzlich Ihre Meinung geändert? Ich bin immer noch die Frau, die ich war. Die Frau, die Sie verachten. Die Frau, die Ihrer Ansicht nach verantwortlich ist für den Tod ...«
»Sagen Sie das nicht, denn es ist nicht so.« Die Haut über seinen hohen Wangenknochen straffte sich. Eine leichte Anspannung erfaßte seinen Körper. »Es ist alles meine Schuld«, erwiderte er leise. »Im allgemeinen mache ich nicht andere für meine eigenen Sünden verantwortlich.«
Es lag etwas in seinem Blick, das sie bereits zuvor gesehen hatte, eine Trostlosigkeit überschattet von Kummer, aber diesmal wurde er nicht von Zorn verdrängt. Es schien auch, als wäre er nach innen, auf ihn selbst, und nicht auf sie gerichtet.
Carly wußte sehr gut, was es hieß, einen geliebten Menschen zu verlieren, den Kummer, der einen erfaßte, und die Leere, die sich nicht füllen ließ. Ihre Schwester, ihr Vater und ihre Mutter, alle waren bereits gestorben. Nur der Gedanke daran schmerzte schon. Es widerstrebte ihr, sich vorzustellen, daß er ebensolchen Kummer empfinden mochte. Mitleid keimte in ihr auf.
Doch das verdrängte sie rasch. Ein Mann wie der Don hatte kein Mitleid verdient. Auch würde er es nicht wollen.
»Florentia sagt, ich sei Ihr Gast. Wenn das so ist, weiß ich Ihre Großzügigkeit zu schätzen, Don Ramon, aber ich möchte lieber meinen Besuch beenden. Es gibt eine Menge auf Rancho del Robles, um das ich mich kümmern muß, und sicherlich macht mein Onkel sich große Sorgen um mich.«
Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. »Ich hatte nie den Eindruck, daß Sie dumm sind, chica. Bestimmt ist Ihnen klar, daß ich Sie nicht gehen lassen kann.«
Carly lächelte grimmig. »Dann ist Ihnen wohl auch klar, daß ich nicht Ihr Gast bin, sondern Ihre Gefangene. Das ist schon ein mächtiger Unterschied.«
»Nur wenn Sie einen daraus machen.« Er lehnte sich mit der einen Schulter gegen die Wand. »Sie dürfen ein wenig durchs Lager streifen. Es gibt nur einen Weg nach draußen, und der Pfad ist gut bewacht. Ich glaube nicht, daß Sie nach Hause finden, selbst wenn Sie es schaffen sollten, zu entkommen.«
Carly erwiderte nichts.
Der Don musterte sie prüfend. »Ich würde die Dinge gern ändern, chica, wenn ich könnte. Leider ist es zu spät dafür. Hier gibt es aber eine Reihe netter Menschen, die Sie freundlich behandeln
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