Geliebter Teufel
waren nach San Francisco abgereist. Der jüngere Bannister war sogar noch wütender gewesen als Ramon.
Jeder zürnte ihr, aber Carly interessierte es nicht.
Wieder einmal kämpfte sie nur um ihr Leben.
Sie schaute aus ihrem Schlafzimmerfenster. Matte, graue Wolken drohten mit Regen, und ein starker Wind fegte durch die dichten Zweige der weitausladenden Eichen, die das Haus umgaben. Gedankenversunken überlegte sie, wann der Sturm wohl einsetzen würde und ob er ihre morgendliche Reise beeinträchtigen würde.
In einer Stunde wollten sie sich auf den Weg in die Stadt machen, wo sie Ramon diesen Nachmittag in der Mission treffen sollten. Heute würde sie heiraten.
Nun, jedenfalls der Form nach.
Carly musterte sich in dem Drehspiegel, vor dem sie stand. Sie hatte ein Kleid aus perlmuttgrauer Seide gewählt, hochgeschlossen am Hals und mit langen Ärmeln, winzigen Biesen vorn am Oberteil und einer Reihe kleiner perlmuttfarbener Knöpfe. Der Rock war rundum mit einer magentaroten Borte besetzt, und der passende taillenlange Umhang war mit magentaroter Seide eingefaßt.
Sie liebte dieses Kleid. Es war schlicht im Schnitt, aber wunderschön. Sie fühlte sich gut darin, wenn sie es trug, und das brauchte sie heute. Sie brauchte so viel Zuversicht, wie sie nur bekommen konnte.
Carly fröstelte, aber ihr war nicht kalt.
Sie hatte gehofft, vor dem Tag der Hochzeit mit Ramon sprechen zu können. War sie doch überzeugt gewesen, er würde ihr helfen, wenn er erst verstand, daß es nur eine Vernunftehe sein sollte, die nicht länger als ein paar Monate dauern würde.
Leider hatte ihr Onkel ihr verboten, sich mit ihm zu treffen. Jetzt würde sie ihm gegenübertreten und seinem zornerfüllten Blick standhalten müssen, durfte sich nicht von seiner kalten Verbissenheit einschüchtern lassen. Er wollte eine Frau spanischer Herkunft, nicht ein armes, halbirisches Mischlingsmädchen aus den Kohlengruben von Pennsylvania. Ramon würde glauben, sie hätte ihn in die Falle einer ungewollten Ehe gezogen, und oberflächlich betrachtet, stimmte das auch.
»Sind Sie bereit, Señorita McConnell?« Candelaria stand an der Tür.
»Fast. Ich muß nur noch meinen Hut aufsetzen.« Sie hob ihn vom Bett auf, aber das Mädchen faßte nach ihrer Hand.
»Vielleicht möchten Sie lieber das hier tragen.« Sie hielt eine wunderschöne, weiße mantilla aus Spitze hoch. »Sie hat meiner Mutter gehört. Ich würde sie Ihnen gern geben, und ich glaube, Don Ramon würden Sie damit gefallen.«
Carly faßte die feine spanische Spitze an. Ihr Hals war plötzlich wie zugeschnürt. Eine Freundin hatte sie auf jeden Fall gefunden. »Sie ist wunderschön, Candelaria. Natürlich werde ich sie tragen.« Ihrem Onkel würde es kaum gefallen, aber Ramon würde es sicher gutheißen, wenn sie sie ansteckte.
Vielleicht aber würde sie ihn auch nur an die Frau spanischer Herkunft erinnern, die er hatte heiraten wollen.
Ihr wurde schwer ums Herz, und sie empfand einen eigenartigen Kummer, der sie eigentlich nicht hätte bedrücken sollen. Carly zwang sich, ihn zu ignorieren. Sie hatte nur getan, was sie hatte tun müssen. Bald schon würde Ramon frei sein, seine Wunschfrau zu heiraten.
Sie rang sich ein Lächeln ab und hob die mantilla über den Kopf.
»Hier ... das werden Sie auch brauchen.« Das Mädchen hielt ihr einen großen, geschnitzten Schildpattkamm hin. »Sie können ihn mir später wiedergeben.« Sie steckte Carly den Kamm ins Haar und drapierte die wunderschöne Spitze über Carlys Kopf und Schultern. Dann trat sie einen Schritt zurück, um ihre Arbeit in Augenschein zu nehmen, und zeigte sich vollauf zufrieden mit dem Ergebnis.
»Jetzt sehen Sie aus wie eine Californio-Braut.«
»Danke, Candelaria. Das ist ein wunderbares Hochzeitsgeschenk.« Carly schluckte schwer, verließ das Schlafzimmer und schritt den Flur hinunter zu dem Raum mit der hohen Decke, wo ihr Onkel bereits auf sie wartete.
Er musterte ihre Erscheinung und knirschte innerlich mit den Zähnen. »Wie ich sehe, übst du dich bereits in deiner Rolle.«
Carly ignorierte seine sarkastische Stichelei. »Ich weiß, ich habe dein Mißfallen erregt, Onkel. Aber mit der Zeit wirst du vielleicht erkennen, warum ich so handeln mußte.« Sie hatte ihm bereits verziehen. Er tat schließlich nur, was er für das beste hielt. Sicherlich würde er irgendwann einsehen, daß sie Vincent nicht heiraten konnte. Sobald alles vorbei war, würde er sie womöglich wieder bei sich aufnehmen. Jedenfalls
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