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Geliebter Tyrann

Titel: Geliebter Tyrann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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hatte sie sich auch als seine Frau gefühlt. Es schien schon so lange zurückzuliegen, daß sie sich so nennen durfte, doch aus einem Grund wußte sie, daß sie nie wirklich seine Frau gewesen war. Nur in jenen kurzen Tagen, die sie gemeinsam im Backes-Haus verbrachten, hatte sie das Gefühl gehabt, ganz zu ihm zu gehören.
    »Müde?«
    Sie sah zu Clay hoch. Er hatte sein nasses Hemd ausgezogen, und ein Handtuch hing um seinen Hals. Er sah einsam und verwundbar aus. Nicole sehnte sich danach, ihn in ihre Arme zu nehmen und ihn zu trösten.
    »Hast du etwas dagegen, wenn ich mich neben dich setze?«
    Sie schüttelte stumm den Kopf. Sie waren teilweise dem Blick der anderen entzogen.
    »Du ißt nicht viel«, sagte er leise und deutete mit dem Kopf auf ihren noch vollen Teller. »Vielleicht brauchst du etwas Bewegung, damit der Appetit kommt.« Er sah sie zwinkernd an.
    Sie versuchte zu lächeln, doch seine Nähe machte sie nervös.
    Er nahm ein Stück Schinken von ihrem Teller und aß es. »Maggie und Janie haben sich selbst übertroffen.«
    »Sie hatten deine Vorräte, und sie konnten aus dem vollen schöpfen. Es war nett von dir, so großzügig zu sein.«
    Seine Augen wurden dunkel, als er sie anstarrte. »Sind wir uns wirklich so fremd, daß wir nicht miteinander reden können? Ich habe nicht verdient, was du heute für mich getan hast. Nein!« sagte er, als sie ihn unterbrechen wollte. »Laß mich erst ausreden. Janie sagte, ich hätte mich nur noch selbst bedauert.
    vermutlich hat sie recht. Ich glaube, ich habe nur gedacht, daß ich nicht verdient habe, was mir alles zustieß. Heute nacht hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Ich glaube, ich habe begriffen, daß unser Leben so ist, wie wir es uns machen. Du sagtest einmal, daß ich mich nicht entschließen könnte. Du hattest recht. Ich wollte alles haben und dachte, es würde mir geschenkt, wenn ich nur darum bäte. Ich glaube, ich war zu schwach, um Entbehrungen auf mich zu nehmen.«
    Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. »Du bist kein schwacher Mann.«
    »Ich glaube nicht, daß du mich kennst - genausowenig, wie ich mich selbst kenne. Ich habe dir schreckliche Dinge angetan; doch das...« Er konnte den Satz nicht beenden. Seine Stimme versagte. »Du hast mir wieder Hoffnung gegeben«, fuhr er dann kräftiger fort, »etwas, das ich für immer verloren glaubte.«
    Er legte seine Hand über die ihre. »Ich verspreche dir, daß ich dich nie mehr enttäuschen werde. Das hat nicht nur etwas mit dem Tabak zu tun, sondern gilt für mein ganzes Leben.«
    Er sah hinunter auf ihre Hand; dann liebkoste er ihre Finger. »Ich hätte es nicht für möglich gehalten; doch ich liebe dich noch mehr als je zuvor.«
    Sie hatte einen Kloß im Hals und konnte nicht sprechen.
    Er sah in ihre Augen. »Es gibt keine Worte für das, was ich für dich fühle. Ich kann auch nicht mit Worten ausdrücken, wie sehr ich dir dankbar bin für das, was du für mich getan hast.« Er hielt plötzlich inne, als würde er ersticken. »Leb wohl«, flüsterte er.
    Er war schon fort, ehe sie etwas sagen konnte.
    Clay ging rasch aus der Mühle, ließ sein Hemd zurück, schaute nicht auf die Leute, die ihm etwas zuriefen. Draußen im Freien merkte er kaum, daß der Regen nur noch ein Nieseln war. Im frühen Morgenlicht konnte er sehen, wie das Land sich verändert hatte. Wo vormals Nicoles Felder sanft zum Fluß hinunterfielen, war nun eine Steilwand entstanden. Der Fluß selbst war ruhiger, ein großes Tier, das eine fette Beute gemacht hatte und nun sein Fressen verdaute.
    Der Landungssteg war intakt, und Clay ruderte sich selbst über den nun viel breiteren Fluß zu seinem eigenen Steg
    hinüber. Er ging langsam zum Haus zurück. Es war, als erwache er nach einem einjährigen Schlaf. Er spürte James neben sich und das Entsetzen darüber, was Clay ihrer herrlichen, fruchtbaren Plantage angetan hatte.    
    Er sah auch die Verwahrlosung seines Hauses. Er machte einen langen Schritt über die Pfütze auf den Hartholzdielen.
    Bianca stand am Fuß der Treppe. Sie trug einen voluminösen Morgenmantel aus blaßblauer Seide. Darunter sah der Rock eines rosafarbenen Satinkleides hervor. Der Kragen, die Manschetten und der Saum waren mit einer sehr breiten Bordüre aus vielfarbenen Federn bedeckt.
    »So! Da bist du ja! Du bist schon wieder die ganze Nacht fort gewesen!«
    »Hast du mich vermißt?« fragte Clay im sarkastischen Ton.
    Sie warf ihm einen Blick zu, der seine Frage beantwortete. »Wo ist das

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