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Geliebter Tyrann

Titel: Geliebter Tyrann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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Clay wechselten über Nicoles Kopf hinweg Blicke. Sie grub neben den Männern und sah kein einzigesmal hoch. Die Männer hatten den gleichen Gedanken: in wenigen Minuten würden sie wissen, ob ihre Rechnung aufginge oder nicht.
    Plötzlich gab der Fluß eine Antwort auf ihre Frage. Er war zu gierig, um abzuwarten, bis die zwei Meter Boden abgetragen wurden. Das Wasser drang von beiden Seiten zugleich in den Graben ein. Der nasse, weiche Boden krümelte unter dem Druck des Wassers weg, als wäre er aus dünnem Teig gemacht Die Grabenden hatten kaum genügend Zeit, sich auf höheren Grund zu retten, damit sie nicht weggespült wurden. Clay faßte Nicole um die Taille und hob sie mit einem Schwung auf den Hang hinauf, wo sie sicherer war.
    Alle Männer standen mit ihren Schaufeln neben dem Graben und sahen zu, wie das Wasser die mit Weizen bepflanzte Erde verschlang. Die Schollen fielen in dicken, dunklen breiten Bahnen in das Wasser und wurden von ihm weggetragen. Der gurgelnde Fluß ergoß sich über das Land wie glühende Lava.
    »Schaut nur!« rief Wes, das tosende Wasser übertönend.
    Jeder sah über den Fluß auf die Stelle, wohin er deutete. Sie waren so fasziniert gewesen von dem Anblick des stürzenden Erdreiches, daß sie nicht auf Clays Felder geachtet hatten. Während der Fluß sich bemühte, das Land abzutragen, das zwischen Graben und Ufer noch den Fluten im Wege stand, hatte sich der Wasserstand erheblich verringert. Die letzten Reihen von Tabakstauden, die bereits überspült gewesen waren, kamen nun wieder ans Tageslicht, plattgedrückt und verdorben; doch alle anderen Pflanzen, die in der nächsten Reihe standen, waren nun dem reißenden Wasser entzogen.
    »Hurra!« schrie Nicole als erste von allen.
    Plötzlich schien jeder vergessen zu haben, wie erschöpft er war. Sie hatten die ganze Nacht hindurch gearbeitet, um ein Ziel zu erreichen, und das war ihnen nun gelungen. Jubel verdrängte ihre Müdigkeit. Sie begannen, ihre Schaufeln in der Luft herumzuschwenken. Isaac packte Luke bei der Hand, und sie führten im Schlamm einen kleinen Freudentanz auf.
    »Wir haben es geschafft!« schrie Wes so laut daß er den prasselnden Regen übertönte. Er packte Nicole und warf sie in die Luft. Dann wirbelte er herum und schleuderte sie Clay in die Arme, als wäre sie ein Sack voll Korn.
    Clay grinste breit. »Du hast es geschafft!« rief er lachend, als er Nicole auffing. »Du hast es erreicht! Meine schöne, brillante Frau!« Er drückte sie ganz fest an sich und küßte sie lange und hungrig.
    Einen Moment lang vergaß Nicole die Zeit, den Ort, alles, was inzwischen geschehen war. Sie küßte Clay mit all der Leidenschaft, die sie empfand. Sie kam sich vor wie eine verhungernde Frau, und er war die einzige Nahrung, die ihr zuteil wurde.
    »Dazu habt ihr später noch genug Zeit«, sagte Wes, während er Clay auf die Schulter schlug, ln seinen Augen blinkte es warnend. Alle Männer hatten die beiden neugierig beobachtet.
    Nicole starrte zu Clay hinauf, und sie spürte, wie sich ihre heißen Tränen mit dem kalten Regen auf ihrem Gesicht vermischten.
    Widerstrebend setzte er sie wieder auf den Boden. Er trat rasch einen Schritt von ihr zurück, als wäre sie ein Feuer, das ihn verzehren würde; doch seine Augen hingen wie gebannt an den ihren und richteten eine stumme Frage an sie.
    »Jetzt wollen wir etwas essen!« rief Wes. »Ich hoffe, die Frauen haben genug zum Futtern bereitgestellt; denn ich habe einen Hunger, als könnte ich ein ganzes Buffet voller Speisen allein aufessen.«
    Nicole wandte sich von Clay ab; sie war so lebendig wie seit Monaten nicht mehr. »Maggie ist hier, also sollte es mehr als genug zu essen geben.«
    Wes grinste, legte dann seinen Arm um ihre Schultern, und sie gingen gemeinsam auf die Mühle zu.
    Dort war eine Tafel auf Sägeböcken errichtet, und darauf stand genug zu essen, daß es für hundert hungrige Mägen gereicht hätte. Da lagen frischgebackene Brotlaibe, duftend und noch heiß vom Ofen. Daneben Tontöpfe voll kühler Butter. Da waren Schüsseln voll Sumpfschildkröten-Ragout, pochiertem Stör, Austern, Krebse, Schinken, Truthahn, Roastbeef und gebratene Enten. Da gab es acht verschiedene Sorten von Pasteten, zwölf verschiedene Gemüsegerichte, vier Kuchen, drei Sorten Wein und Bier und auch Milch und Tee.
    Nicole hielt sich von Clay fern. Sie nahm ihren Teller und setzte sich allein in den Schatten der Mahlsteine. Er hatte sie seine Frau genannt, und in diesem Moment

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