Geliebter Unsichtbarer
wählerisch sein. Zumindest war sie froh, dass Enyas Kleidergröße identisch mit ihrer war, sodass die Jeans wie angegossen passten. Sie hatte sich gewundert, dass ihr die Hüterin angesichts der Feindseligkeit, mit der sie Leila behandelte, überhaupt etwas geborgt hatte. Während die Männer im Komplex relativ höflich waren, hatte Enya kein Geheimnis daraus gemacht, dass ihr am liebsten wäre, Leila würde wieder verschwinden.
Leila öffnete ihre Handtasche und spähte hinein. Sie sah sofort, dass ihr Handy fehlte. Ihre Geldbörse sowie ihre Sonnenbrille, ein Notizblock und ihr Pfefferspray waren noch da. Sie griff nach der Dose und erinnerte sich an den Abend, als sie Aiden getroffen hatte und er ihr in der Irischen Bar gezeigt hatte, dass es für einen Profi ein Leichtes war, ihr das Spray abzunehmen. Er hatte es ihr bewiesen. Sie seufzte. So viel war seither geschehen. Die Dinge, vor denen sie sich bisher gefürchtet hatte, waren in weite Ferne gerückt. Es gab größere Gefahren in dieser Welt als ein paar Straßendiebe, die auf ihr Geld aus waren.
Und sie hatte immer gedacht, dass sie nie mit einem Polizisten oder einem Soldaten ausgehen würde, da diese sich tagtäglich in Gefahr bewegten. Komisch, dass sie diese Wahl jetzt als viel sicherer ansah, anstatt ihr Herz an einen Hüter der Nacht zu verlieren, der tagtäglich Dämonen bekämpfte. Und sie war dabei, ihr Herz an Aiden zu verlieren, obwohl sie wusste, dass es für sie keine Zukunft geben konnte. Er war unsterblich. Sie war es nicht. Ende der Diskussion.
Leila schob die Dose Pfefferspray in ihre Jackentasche, obwohl sie nicht wirklich wusste, warum. Dummerweise fühlte sie sich dadurch in Aidens Abwesenheit sicherer, obwohl ihr klar war, dass sie selbst mit dem Spray nie einen Dämon abwehren könnte. Sie hatte Zoltans Kraft gespürt, und wenn sie zu dem Zeitpunkt nicht Aidens Virta in sich gehabt hätte, hätte er sie überwältigt.
Sie schauderte bei der Erinnerung an Zoltans Gesicht so nah vor ihrem. Wie seine grünen Augen sich in ihre gebohrt hatten, seine Hände an ihrem Hals, und seine Gedanken in ihrem Kopf. Instinktiv strich sie sich mit der Hand über ihren Hals und versuchte, die schreckliche Erinnerung wegzuwischen.
Sie wollte nicht länger alleine bleiben, verließ das Zimmer und eilte den Flur entlang. Als sie um eine Ecke bog, erblickte sie die Tür zur Kommandozentrale. Sie war nur angelehnt.
Plötzlich wurde alles dunkel.
„Fuck!“, hörte sie Pearce fluchen.
Die Angst verlieh ihr Flügel und trieb sie in Richtung des Zimmers. „Pearce!“, schrie sie.
„Stromausfall. Leila! Komm hier rein! Sofort!“
Sie lief, dann stolperte sie. Ihre Hände ruderten und ergriffen etwas.
***
Enya spähte durch die Gardinen und blickte auf die Straße hinunter, wo die Prostituierten ihrem Gewerbe nachgingen. Hinter ihr in dem dunklen Raum ließ sich Logan in einen der bequemen Sessel fallen und legte seine langen Beine auf den Tisch.
„Irgendetwas?“, fragte er gelangweilt.
„Alles soweit ruhig. Nicht, dass ich glaube, dass unser Verdächtiger sichtbar eintreffen wird.“ Sie drehte sich zu ihm. „Ich hätte wetten können, dass mittlerweile eines der Ratsmitglieder unterwegs sein würde. Bist du dir sicher, dass dein Handy Empfang hat?“
Er warf einen Blick auf das Telefon in seinen Händen, dann nickte er. „Ganz sicher. Immer noch keine Nachricht von Pearce.“
Das beunruhigte sie. Ihre Instinkte verließen sie nie. Und sie wusste, dass Aidens Plan gut durchdacht war. Das Ratsmitglied, das versucht hatte, Leila zu töten, würde davon ausgehen, dass ihr letztes Versteck der Massagesalon war, und nichts von dem Bauernhaus in Kalifornien wissen, und deshalb hierher zurückkehren, um Leila zu beseitigen.
Enya drehte sich vom Fenster weg, und beugte sich hinunter, um den Kopf des Hundes zu streicheln, der neben Logans Sessel lag. Der Schäferhund sah zu ihr auf. „Guter Hund“, murmelte sie.
Das Zimmer war in Dunkelheit gehüllt. Auf dem Nachttisch neben dem Bett lag Leilas Handy. Enya hatte es aus ihrer Tasche genommen. Für den Fall, dass ihr Verdächtiger das Handy orten konnte, war es am besten, es in den Massagesalon zu bringen. Pearce hatte behauptet, dass das Telefon frei von Wanzen war, aber sie hatte es dennoch mitgebracht und sogar eingeschaltet.
„Was hältst du von ihr?“, fragte Logan plötzlich.
„Von wem?“
„Der Frau natürlich. Und sag mir nicht, du hättest dir noch keine Meinung über sie
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