Geliebtes Monster
Treppenhaus, das hell erleuchtet war, und kam sich so überflüssig vor.
Er wußte, daß ein Wagen auf ihn wartete. Er hatte einen Taxischein bekommen; man würde ihn nach Hause bringen, dort konnte er sich dann ins Bett legen und schlafen.
Schlafen?
Mehmet lachte sich selbst aus und schüttelte den Kopf. Alles, was recht war, aber Schlaf würde er nicht finden. Da war er einfach zu aufgeregt.
Die Erlebnisse waren für ihn wie Einschnitte gewesen, die Wunden hinterlassen hatten, und die mußten zunächst einmal gestopft werden.
Es würde dauern, das stand für ihn fest. Wahrscheinlich würde mehr als eine Woche vergehen, bis er die Dinge verkraftet hatte.
Er ging die Treppen hinunter, achtete darauf, nicht auszurutschen und mußte durch einen Flur gehen, der dort endete, wo der müde Portier in einer Loge hockte und auf die Glotze schaute, um sich das Programm seines Arbeitgebers anzuschauen.
Als Mehmet auf ihn zukam, grinste er und wandte sich von der Mattscheibe ab. Er öffnete die Sprechscheibe, nickte Mehmet zu und meinte: »Das war ja ein Hammer, wie?«
»Sicher.«
»Haben Sie das wirklich erlebt?«
»Klar.«
»Und? Wie fühlt man sich so?« Mehmet wollte darüber nicht reden.
»Hier sollen Taxen stehen, habe ich gehört.«
»Ja, gleich um die Ecke.«
»Danke.«
»Und passen Sie auf, daß Ihnen kein Monster über den Weg läuft«, rief ihm der Portier noch nach, bevor er die Klappe schloß und wieder auf den Bildschirm starrte.
Schon fluchtartig verließ Mehmet den Bau. Er ärgerte sich, daß er überhaupt aufgetreten war. Da hatte ihn das Honorar gelockt, auch die Popularität, denn er wußte, daß diese Sendung viele Zuschauer hatte, und auch er wollte mal im Mittelpunkt stehen.
Da stand er jetzt, aber im eigentlichen Mittelpunkt stand schon seine Angst, denn es kam ihm vor, als hätte er durch diesen Auftritt einen Fehler begangen. Er hatte auf sich aufmerksam gemacht. Und nicht nur freundliche Menschen würden ihn nun kennen. Mehmet hatte den Wind gesät und würde bald den Sturm ernten. Das war ihm klar.
Ihn fröstelte, als er die Wärme des Senders verlassen hatte und auf dem Gehsteig stand. Das Licht der Außenleuchten spiegelte sich auf dem nassen Pflaster wider, und Mehmet konnte sogar seinen eigenen Schatten darin erkennen.
Böig blies der Wind. Tropfen sprühten ihm ins Gesicht. Die Gegend war nicht gefährlich, dennoch spürte er ein Kribbeln auf dem Rücken und schaute sich vorsichtig um, ehe er den Lichtkreis verließ, um dorthin zu gehen, wo die Taxen warteten.
Zwei standen dort.
Er stieg in das erste ein. Der Fahrer legte seine Zeitung zur Seite.
»Wohin?«
Eigentlich hatte Mehmet seine Adresse nennen wollen, aber die Kehle saß auf einmal zu. Er überlegte.
»He, Meister, wohin soll ich fahren?«
»Ich will zu einem Lokal.«
»Wie heißt es?«
»Planters Inn.«
»Kenne ich nicht.«
»Ich beschreibe Ihnen den Weg.« Er gab den Taxischein ab, den der Fahrer einsteckte und dann losfuhr. Sein Gast blieb ruhig. Mehmet hielt den Kopf gesenkt und schaute auf seine Knie, als gäbe es dort etwas Tolles zu sehen. Auch jetzt stand er unter dem Eindruck seines TV-Auftritts, und immer öfter liefen die Bilder vor seinem geistigen Auge ab.
Die Furcht nahm zu. Eine Beklemmung, mit der er nicht zurechtkam. Sie war wie ein Druck, der sich von vier verschiedenen Seiten auf seinen Magen hin zuschob. Er gestand sich schon jetzt ein, einen Fehler gemacht zu haben und quälte sich zudem mit der Vorstellung herum, daß sein weiteres Leben nicht mehr so verlaufen würde, wie es einmal abgelaufen war. Das machte ihn nervös.
Mehmet schaute aus dem Fenster. Die Häuser, die Lichter, die anderen Fahrzeuge huschten schattengleich durch sein Blickfeld, als wären sie immer nur für einen Moment vorhanden, um dann wieder in eine andere Welt abzutauchen.
Eigentlich kannte er sich in der Stadt aus. Er mochte sie auch, aber jetzt war sie für ihn zum feindlichen Terrain geworden. Mehmet überlegte sogar, ob er London nicht den Rücken kehren und für eine Weile untertauchen sollte. Urlaub hatte er noch genug.
Er würde keinem Menschen etwas sagen. Auch nicht seiner in der Nähe lebenden Verwandtschaft. Alles mußte heimlich geschehen, und ebenso klamm und heimlich würde er sich verdrücken. Noch stand Mehmets Plan nicht fest. Bei einem Bier und einem Brandy in der Kneipe konnte er näher darüber nachdenken. Möglicherweise würden es auch mehrere Biere und Brandys werden. Nach dem dritten sah
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