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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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Rolle perfekt gespielt. Tropfenweise hatte er den diamantharten Spiegel von Rensselaers Ansehen getrübt, um ihn schließlich vor dem Ausschuß mit einem Schlag zu zertrümmern. Die Vollendung all dessen, wofür Stinnes gearbeitet hatte, kam bei einem nichts Besonderes versprechenden Besuch des »Stinnes-Ausschusses« im Berwick House, wo Stinnes in Haft war. Dieses Herrenhaus des 18. Jahrhunderts, umgeben von sieben Morgen ansprechender englischer Landschaft, hatte, da es hinter einem alten Wassergraben und einer fünfzehn Fuß hohen Steinmauer geschützt lag, leicht in eine Haftanstalt verwandelt werden können. Die Whitehall-Beamten, durch die das Haus und sein Inhalt mittels eines in solchen Fällen nützlichen Gesetzes enteignet worden war, hatten wenig getan, die von den Bomben der Luftwaffe angerichteten Schäden zu reparieren.
    Ein muffiger Geruch erfüllte das Haus, und wenn man dies

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    modernde Gebäude genau unter die Lupe nahm, merkte man, daß dort die Holzwürmer härter arbeiteten als sonst jemand.
    Der Ausschuß reiste gemeinsam in einem Bus, Bret ausgenommen. Er kam in seinem Bentley mit Chauffeur, nachdem er während der Mittagsstunde noch einen Termin bei seinem Arzt wahrgenommen hatte. Er sah erschöpft aus und hatte Ringe unter den Augen, so daß er plötzlich gealtert schien. Sie waren so zahlreich, daß sie alle um den großen polierten Tisch in dem ehemaligen Speisesaal saßen. An der getäfelten Wand hing ein großes Ölgemälde. Da posierte steif eine Familie auf einem Hügel in der Nähe des gerade errichteten Berwick House und starrte den Maler an, der Gainsborough noch mal hochleben ließ, was als die alleraufrichtigste Schmeichelei gilt. Die Mitglieder des Ausschusses bemühten sich um die Wette, ihren
    Kenntnisreichtum und ihre Wichtigkeit ins beste Licht zu stellen. Bret Rensselaer saß an einem Ende des Tisches, was ihm die Autorität des Vorsitzenden verlieh. Stinnes saß ihm am anderen Ende gegenüber, eine gegnerische Position, die, wie Bret später meinte, zu dem nachfolgenden Fiasko beigetragen haben mochte. Bret sah häufig auf die Uhr, saß aber übrigens mit dem aufmerksamen Blick da, den Leute, die in zu vielen Ausschüssen sitzen, beherrschen, um die Tatsache zu verbergen, daß sie halb schlafen. Er hatte das alles schon gehört. Na denn, dachte Stinnes, wollen wir doch mal sehen, ob wir Sie wecken können, Mr. Rensselaer.
    In einem derartigen Ausschuß gab es immer ein paar Allwissende. Das war in Moskau nicht anders. Stinnes hätte die dortigen Gegenstücke nennen können. Der schlimmste Langweiler war Billy Slinger von MI 5, ein schmächtiger Bursche mit dünnem, sorgfältig gestutztem Schnurrbart, dessen schottisch gefärbtes Englisch für Stinnes nicht ganz leicht zu verstehen war. Er war dem Ausschuß als Berater in Kommunikationsfragen zugeteilt worden. Natürlich glaubte er,

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    allen beweisen zu müssen, wie schlau er war.
    Erich Stinnes hatte die Höhen und Tiefen seiner Haft überstanden, ohne sich nennenswert zu verändern, viel zu verändern war da freilich auch nicht. Stinnes war ein zäher Mann in mittleren Jahren, mit bleichem Gesicht und stets möglichst kurz geschnittenem Haar. Wenn er seine metallgefaßte Brille abnahm, was er oft tat, blinkte er mit den Augen wie eine Eule und blickte sich im Ausschuß um, als sähe er diese Leute lieber leicht unscharf. Stinnes spielte geschickt mit den Fragen und ließ Slinger seine technischen Kenntnisse ausbreiten, bis die Regeln des Funkverkehrs zur Sprache kamen. Hierzu Auskünfte zu geben, war Stinnes von Moskau autorisiert, und so schilderte er leise und im Gesprächston die bei den Botschaften gebräuchlichen Verfahren. Er begann mit den üblichen Routinemeldungen und kam dann auf einige Codierungsverfahren des KGB zu sprechen. Dabei handelte es sich um technische
    Entwicklungen, mit denen Slinger wahrscheinlich nicht vertraut war, so daß er auch kaum wissen konnte, daß sie bereits überholt waren und bestenfalls noch für den alltäglichen Kram verwendet wurden. Aus dem Augenwinkel beobachtete er Rensselaer, der sich wie eine von schweren Fußtritten aufgeschreckte Schlange wand. »Das ist mir alles neu«, sagte Slinger wiederholt, wobei die Dialektfärbung seiner Rede heftiger wurde, während er Bogen nach Bogen so heftig vollkritzelte, daß ihm der Bleistift zerbrach und er einen anderen ergreifen und Stinnes bitten mußte, langsamer zu sprechen.
    Auch die übrigen Mitglieder des Ausschusses

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