Gelinkt
packte die Begeisterung. Zwischen den eifrigen Fragen Slingers brachte ein anderer die prinzipielle an: Weshalb Stinnes diese Perlen nicht schon eher enthüllt habe? Stinnes antwortete nicht sofort.
Er sah Bret Rensselaer an und dann zur Seite und ließ sich viel Zeit beim Anzünden eines Stumpens.
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»Nun?« sagte Bret Rensselaer schließlich. »Sagen Sie’s uns.«
»Habe ich doch«, sagte Stinnes. »Ich habe es Ihnen doch schon während der ersten Tage erzählt, aber ich hatte den Eindruck, Sie wußten das alles schon.«
Bret sprang auf, als wollte er gleich losschreien. Alle sahen ihn an. Und da wurde Bret klar, daß er sich bei einer Auseinandersetzung mit Stinnes vor dem versammelten Ausschuß nur lächerlich machen würde. Er setzte sich wieder und sagte: »Machen Sie weiter, Slinger. Nehmen wir das alles zu Protokoll.« Stinnes inhalierte den Rauch seines Stumpens und blickte von einem zum anderen, wie ein Sozialarbeiter im Kreis einer zerstrittenen Familie. Dann fing er an, ihnen noch mehr Material zu geben: Auslandsleitungen,
Botschaftssendezeiten und Verfahren und sogar Botschafts-Kontaktlisten.
Das dauerte etwa eine Stunde mit einigen langen Pausen, in denen Stinnes sich sichtlich den Kopf zerbrach, und ein paar kleinen Stinnes-Witzen, über die – wegen der im Raum herrschenden Hochspannung – jeder lachte. Am Ende war der Ausschluß erfolgstrunken. Befriedigung rötete die Gesichter der Mitglieder und kreiste in ihren Adern wie frisch gezuckertes Blut. Und keinen geringen Anteil an ihrem Triumph hatte das wohlige Gefühl zu wissen, daß Bret Rensselaer, dieser kalte, tüchtige und patriotische Patrizier, endlich seine wohlverdiente Strafe kriegen sollte.
Als Stinnes den Raum verließ, um nach oben geführt zu werden, blickte er Bret Rensselaer an. Keiner von beiden veränderte seinen Gesichtsausdruck, und doch drückte dieser Blickwechsel Einverständnis darüber aus, daß ein Kampf ausgetragen und gewonnen worden war.
Aber Bret Rensselaer war nicht der Mann, sich hinzulegen und sich einem Feinde zuliebe totzustellen. Bret Rensselaer war Amerikaner: pragmatisch, findig und ohne die Fähigkeit,
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irgendeinen Groll lange zu hegen, die den Europäern angeboren ist. Als Bret vor der feindlichen Wand stand, die Moskwin und Stinnes gemeinsam Stein für Stein vor ihm aufgezogen hatten, tat er etwas, womit keiner der Russen gerechnet hatte. Rensselaer ging nach Berlin und bat Bernard Samson um Hilfe, einen Mann, gegen den er eine Abneigung gefaßt hatte, aus der Einsicht, daß Samson noch unkonventioneller war als er und sicherlich sehr viel grausamer.
»Was machen wir jetzt?« fragte Bret. Von Stinnes in Panik versetzt und in Gefahr, verhaftet zu werden, war Bret nach Berlin geflüchtet. Er war ein Flüchtling und sah auch damals so aus: furchtsam und ungepflegt und bar all des glatten Rensselaerschen Selbstvertrauens.
»Was machen wir jetzt?« wiederholte Samson. Dies war Bernards Stadt, und die beiden wußten das. »Wir jagen ihnen Schiß ein, das ist, was wir machen.«
»Wie?«
»Wir könnten ihnen zum Beispiel erzählen, daß wir Stinnes die Zehennägel, einen nach dem anderen, rausreißen.«
Bret fröstelte. Er war nicht zum Scherzen aufgelegt. »Sei vernünftig, Bernard. Sie haben deinen Freund Volkmann da drüben. Siehst du nicht, was das bedeutet?«
»Werner werden sie nicht anfassen.«
»Warum nicht?«
»Weil sie wissen, daß alles, was sie sich einfallen lassen sollten, Werner anzutun, ihrem Stinnes von mir zweimal angetan werden wird, und zwar in Zeitlupe.«
»Aber lohnt das Risiko?« fragte Bret. »Ich dachte, Volkmann ist dein bester Freund.«
»Na und?« fragte Bernard.
Alarmiert sagte Bret: »Daß du dabei bloß nichts falsch machst. Es hängt zuviel davon ab.« Samson war immer ein kaltblütiger Spieler gewesen, aber war die Eskalation, die er
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anzustreben schien, der richtige Weg zum Ziel? Oder war Bernard verrückt geworden?
»Ich weiß, wie diese Leute denken, Bret. Moskau hat eine Leidenschaft dafür, Agenten aus der Tinte zu fischen. Das ist das Gesetz von Moskau: KGB-Leute, die es mißachten, tun dies auf eigene Gefahr.«
»Also bieten wir ihnen Stinnes im Austausch gegen Werner Volkmann an?«
»Aber erst, nachdem wir ihnen zu verstehen gegeben haben, daß Stinnes durch den Wolf gedreht werden wird.«
»Jesus! Mir gefällt das nicht. Wird Fiona eine von den Leuten sein, die darüber zu befinden haben?« fragte Bret.
Bernard sah ihn an
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