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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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sie aus der Fassung gebracht hatte. In einem verzweifelten Versuch, sie zu trösten, sagte er: »Unsere Genossen haben eine Schwäche für hochtrabende Rhetorik. Höchstwahrscheinlich haben sie ihn nur nach Moskau zurückgeschickt.«
    »Aber warum dann …?«
    »Um Sie zu beruhigen. Um Ihnen zu schmeicheln.« Er nahm ein Tuch und wickelte es um den Käfig, um ihn

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    abzudunkeln.
    Sie sah ihm zu und versuchte, ihm anzusehen, was er wirklich glaubte, aber das war nicht mit Sicherheit zu erkennen. »Glauben Sie mir«, fügte er hinzu. »Ich kenne sie.«
    Sie entschloß sich, ihm zu glauben. Vielleicht war das eine weibliche Reaktion, aber sie konnte die Verantwortung für Blums Tod nicht auf sich nehmen. Angesichts von Leiden, die anderen zugefügt wurden, war sie nicht tapfer, und doch kam’s ja gerade darauf bei ihrem Job am meisten an.
    Sie kam kurz nach halb neun nach Hause, und kaum zehn Minuten später fragte Bret Rensselaer telefonisch und lakonisch an: »Alles okay?«
    »Ja, alles okay«, sagte sie.
    »Und was ist nicht okay?«
    Bret hatte ihr etwas angehört. Er war so hellhörig für ihre Gefühle, daß er ihr angst machte. Bernard hätte nie geahnt, daß irgendwas nicht in Ordnung war. »Nichts, gar nichts«, sagte sie nachdrücklich und beherrschte ihre Stimme. »Nichts, worüber wir sprechen könnten.«
    »Sind Sie allein?«
    »Ja.«
    »Übliche Zeit, üblicher Ort.«
    »Bernard ist noch nicht da. Er hat sich verspätet.«
    »Ich habe etwas arrangiert … sein Gepäck am Flughafen zurückgehalten. Ich wollte sichergehen, daß ich Sie zu Hause erreiche und daß alles okay ist.«
    »Ja, gute Nacht, Bret.« Sie legte auf. Bret tat es ihr zuliebe, aber sie wußte, daß er es genoß, ihr zu zeigen, wie leicht es für ihn war, ihren Mann derart unter Kontrolle zu halten. Auch er war einer von den Männern, die sich verpflichtet fühlten, ihr irgendeinen Aspekt ihrer Macht zu demonstrieren. Bei alledem war auch ein sexueller Unterton, der ihr überhaupt nicht gefiel.

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5
    Somerset, England, Sommer 1978
    Der Director-General war eine rätselhafte Gestalt, die den Angestellten Stoff für endlose Diskussionen bot. Zum Beispiel, als einmal zu Weihnachten jenes Brett an gut sichtbarer Stelle hinter seinem Schreibtisch an der Wand aufgehängt wurde, auf dem in schöner Brandmalerei zu lesen war: »Nur Unwissenheit ist unbesieglich.« Die Fragen, die dieser Wandschmuck aufwarf, waren nicht erledigt, als man erfuhr, daß es sich dabei um ein Weihnachtsgeschenk der Gattin Sir Henrys handelte.
    Sein Büro war Schauplatz eines unvergleichlichen Chaos, in das die Raumpflegerinnen nie weit eindrangen. Überall waren Bücher gestapelt. Aus den meisten lugten farbige Papierstreifen hervor, die auf reiche Adern wissenswerter Information hinwiesen. Sie waren jedoch bis auf die vorbereitenden Schürfarbeiten von Sir Henrys vielgeprüftem Assistenten nicht weiterverfolgt worden.
    Sir Henry Clevemore war ein dankbares Objekt für Bret Rensselaers anthropologisches Interesse an der englischen Rasse. Bret hatte den D.G. als typischen Angehörigen der Oberschicht klassifiziert. Diese hochgewachsene, schlurfende Gestalt, an der teure Anzüge aussahen wie verbeulte Overalls, unterschied sich vollkommen von jedem Bret aus seiner amerikanischen Heimat vertrauten Typus. Von seinen anderen Exzentritäten einmal abgesehen, ermutigte der D.G. seine Untergebenen zu glauben, daß er gebrechlich, taub und geistesabwesend sei. Diese ausgeklügelte Rolle sicherte ihm jedoch eine warmherzige Loyalität, um die ihn mancher zackige Führer beneidet hätte. Zu den unangenehmen Aspekten engerer Zusammenarbeit mit Sir Henry gehörte es, daß dieser auf so plariose und unberechenbare Weise im Lande umherreiste, daß Bret ihm von einem Treffen zum nächsten in sowohl entlegene als auch unbequeme Orte nachjagen mußte.

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    Heute waren sie in Somerset. Der Geheimhaltung wegen hatte der D.G. ihn in eine kleine Holzhütte mitgenommen. Sie stand am Rande des Sportplatzes einer der wenigen bedeutenden Public Schools, deren gewissenhafter Präsident der D.G. war.
    Der D.G. hatte der versammelten Schule eine Rede gehalten und mit dem Direktor den Lunch eingenommen. Bret, kurzfristig hergebeten, hatte sich mit halsbrecherischer Geschwindigkeit hierherfahren lassen. Zum Lunch war für ihn keine Zeit mehr gewesen. Doch das war nicht schlimm, an einem so heißen Tag verzichtete Bret gern einmal auf das Mittagessen.
    Die Umgebung der Schule bot

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