Gelinkt
ganze Material hier«, sagte er. »Gelesen habe ich’s, und ich will es nicht im Büro haben.«
»Wie Sie wollen, Bret.«
- 127 -
Bret zog die Brieftasche und zählte zwanzig
Fünfzigpfundnoten auf den Tisch. Bernstein schrieb
»Eintausend Pfund Sterling« auf ein Stück Papier, ohne Datum oder Unterschrift, selbst ohne das Wort »erhalten«. So hielten sie es bei ihren Geschäften immer.
Bret bemerkte das an der Spitze seines Schuhs zerschnittene Leder und berührte es, als hoffte er, die Wunde würde von selber heilen. Er seufzte, erhob sich, zog den Mantel an, setzte den Hut auf und dachte wieder an Fiona Samson. Er würde sie darauf ansprechen müssen. Es gab keine Alternative. Aber heute noch nicht, nicht einmal morgen. Es war viel besser, sie erst mal nach Berlin zu schicken.
»Diesen Pryce-Hughes«, sagte Bret sehr beiläufig, als er schon an der Tür stand, »wie schätzen Sie den ein, Sylvy?«
Bernstein wußte nicht genau, was Bret hören wollte. »Er ist sehr alt«, sagte er schließlich. Bret nickte.
- 128 -
8
West-Berlin, September 1978
Der Nachmittag färbte sich gelb wie altes Zeitungspapier, und in der schweren Luft verbreitete sich der durchdringende Geruch der Linden. In den Straßen Berlins drängten sich die Besucher, eine Kolonne nach der anderen, ausgerüstet mit Stadtplänen, Kameras und schweren Rucksäcken. Jetzt, am Ende des anstrengenden Tagesmarsches, hatten sie es nicht mehr so eilig. Der Sommer neigte sich zum Herbst, und noch immer kamen eine Menge Wessis, unter ihnen auch liebende Eltern, die ihre der Wehrpflicht nach West-Berlin entflohenen Söhne besuchten.
Nach getaner Arbeit kehrte Fiona seufzend vor
Erleichterung in ihr neues »Heim« zurück. Auf dem Garderobentischchen im Flur lag ein noch immer in Cellophan und Papier gewickelter Blumenstrauß. Es sah Bernard ähnlich, daß er sich nicht die Mühe gemacht hatte, die Blumen ins Wasser zu stellen, aber sie rührte sie nicht an. Sie legte Hut und Mantel ab, überzeugte sich davon, daß keine Post in dem Käfig hinter dem Briefschlitz war und auch nicht auf dem Garderobentischchen, dann musterte sie sich im Spiegel, lange genug, sich davon zu überzeugen, daß ihr Make-up in Ordnung war. Sie war gealtert, und die Ringe unter den Augen und die Falten um den Mund verbarg selbst die Schminke nur unvollkommen. Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, das der engsitzende Hut ihr an den Schädel gedrückt hatte, dann holte sie tief Luft und setzte ein fröhliches Lächeln auf, ehe sie das Wohnzimmer ihrer Mietwohnung betrat. Bernard war schon daheim. Er hatte das Jackett ausgezogen und den Krawattenknoten gelöst. Mit roten Hosenträgern über dem zerknitterten Hemd saß er bequem auf dem Sofa, ein volles Glas in der Hand. »Wild siehst du aus, Liebling. Findest du nicht, daß es zum Saufen noch ein bißchen früh ist?« Sie sagte
- 129 -
das laut und fröhlich, ehe sie bemerkte, daß Bernards Vater diesem gegenübersaß und ebenfalls trank.
Trotz ihres scherzenden Tons runzelte Mr. Brian Samson, der offiziell im Büro noch immer ihr Vorgesetzter war, die Brauen. Er stand auf und gab ihr einen Kuß auf die Wange.
»Hallo, Fiona«, sagte er. »Ich habe Bernard gerade alles erzählt.« Wenn dieser Kuß irgendwas bewirkte, bekräftigte er die Gefühle ihres Schwiegervaters, was Gattinnen anging, die der Oberschicht entstammten, nach Hause kamen und ihre Männer schalten, weil diese es sich im eigenen Heim gemütlich gemacht hatten. »Alles worüber?« fragte sie und ging weiter zu einem der Regale über dem Fernsehgerät, wo in beiderseitigem Einvernehmen die eingehende Post hingelegt wurde, bis sie beide sie gelesen hatten. Dort lag nur eine Rechnung der Weinhandlung und eine in Stahlstich gedruckte Einladung zur Geburtstagsfeier ihrer Schwester. Beides hatte sie schon gesehen, sah sich nun aber Rechnung und Einladung noch einmal gründlich an, ehe sie sich lächelnd umdrehte. Da keiner der Männer sich erbot, ihr etwas zu trinken zu holen, sagte sie:
»Ich glaube, ich werde mir mal einen Tee machen. Möchte sonst jemand welchen?« Sie entdeckte ein paar verschüttete Tropfen, nahm ein Papiertaschentuch und wischte sie auf und ordnete Flaschen und Gläser auf dem Tablett, ehe sie sagte:
»Alles worüber, Brian?« Bernard antwortete ihr: »Die Baader-Meinhof-Panik, wie sie inzwischen dazu sagen.«
»Ach das. Wie langweilig. Sei froh, daß du das verpaßt hast, Liebling.«
»Langweilig?« sagte ihr Schwiegervater
Weitere Kostenlose Bücher