Gelinkt
mit leicht erhobener Stimme.
»Viel Lärm um nichts«, sagte Fiona.
»Ich weiß nicht«, sagte ihr Schwiegervater. »Wenn die Baader-Meinhof-Leute das Flugzeug gekapert und nach Prag dirigiert hätten …« Drohend ließ er das Ende des Satzes unausgesprochen.
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»Aber das wäre doch unmöglich gewesen, Schwiegervater«, sagte sie munter. »Bekanntlich hat doch Andreas Baader schon vor einem Jahr in Stammheim Selbstmord begangen, und aus Bonn ist uns offiziell mitgeteilt worden, daß die übrigen Mitglieder der Bande sämtlich in Gefängnissen der Bundesrepublik einsitzen.«
»Das weiß ich«, sagte der ältere Samson mit übertriebener Deutlichkeit, »aber Terroristen gibt es in allen Größen, Farben und Gestalten, und nicht alle sitzen hinter Gittern. Es war eine echte Krise. Mein Gott, Fiona, bist du in letzter Zeit mal in Bonn gewesen? Stacheldraht und bewaffnete Posten vor den Regierungsgebäuden. Panzerwagen patrouillieren die Straßen.
Langweilig ist das nicht, Fiona, was immer es sonst sein mag.«
Fiona kam ihrem Schwiegervater nicht entgegen. »Du willst also keinen Tee?« sagte sie.
»Die Welt ist verrückt«, sagte Samson senior. »Ein armer Teufel wurde umgebracht, nachdem seine eigene Patentochter mit einem Strauß roter Rosen dafür gesorgt hatte, daß den Mördern die Tür geöffnet wurde. Jeder Politiker und Industrielle im Land wird Tag und Nacht bewacht.«
»Und sie beschweren sich, daß sie ihre Geliebten nicht mehr ungestört besuchen können, jedenfalls steht das in dem vertraulichen Bericht«, sagte Fiona. »Hast du das gelesen?«
»Was ich nicht verstehe«, sagte ihr Schwiegervater, ihre Frage ignorierend und in einem Ton, als machte er Fiona persönlich verantwortlich für die der jüngeren Generation angelasteten Missetaten, »ist, daß es Leute gibt, die für die Terroristen demonstrieren! Bomben in Vertretungen deutscher Automobilhersteller in Turin, Livorno und Bologna, Straßendemonstrationen in London, Wien und Athen zur Unterstützung der Terroristen. Sind diese Leute wahnsinnig?«
Fiona zuckte die Achseln und nahm das Tablett. Bernard sah zu, aber sagte nichts. Rund um die Erde waren 1977 die terroristischen Aktivitäten religiöser Fanatiker und diverser
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Gauner und Verrückter aufgeflammt. Überall brachten die Leute ihre Bestürzung zum Ausdruck. Die ältere Generation gab an allem ihren Kindern die Schuld, während die jungen Leute die blinde Gewalttätigkeit als ein ihnen von den Eltern hinterlassenes Erbe ansahen. Bernards Frau und sein Vater waren in dieser Hinsicht typisch. Jede Unterhaltung zwischen ihnen konnte leicht auf einen Wortwechsel hinauslaufen, in dem beide archetypische Rollen einnahmen. Bernards Vater fand Fiona entschieden zu hochmütig und eingebildet. Zu reich, zu gebildet und zu verdammt starrsinnig, wie er Bernard nach einer Meinungsverschiedenheit mit ihr einst anvertraut hatte. Auf dem Weg zur Küche schoß Fiona noch einen Parther-Pfeil ab: »Kaum ein passendes Mittel gegen Panik, Schwiegervater.« Bernard wünschte, sie würde nicht immer in diesem irritierenden Ton »Schwiegervater« sagen. Das reizte seinen Vater, aber das wußte Fiona nur allzugut. Bernard versuchte zu vermitteln. »Papa sagt, es war eine Reaktion auf den russischen Funkspruch, der den Tschechen befahl, den Flughafen die ganze Nacht über offenzuhalten. Wir haben zwei und zwei zusammengezählt und fünf rausgekriegt.«
Fiona war belustigt. »Zu dieser Jahreszeit sind Hunderte von Militärflughäfen im Ostblock rund um die Uhr geöffnet. Denn gegenwärtig halten sie da ihre gemeinsamen Manöver ab, Liebling. Oder ist dieses militärische Geheimnis noch nicht bis zur Londoner Zentrale durchgesickert?«
Sie war nicht zu sehen, aber die beiden Männer hörten, wie sie heißes Wasser in die Teekanne goß und Untertassen und Tassen auf ein Tablett stellte. Keiner von beiden sagte ein Wort. Die lebhafte Unterhaltung, in die sie vor Fionas Ankunft vertieft gewesen waren, war gestorben. Brian sah seinen Sohn an und lächelte. Bernard lächelte zurück.
Fiona kam herein und stellte das Tablett auf den Tisch, wo Bernards Füße geruht hatten. Dann kniete sie auf dem Teppich nieder, um einzuschenken. »Wollte ihr beiden wirklich …?«
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sagte sie. Sie hatte Untertassen und Tassen für alle drei auf das Tablett gestellt und auch eine Zuckerdose, denn ihr Schwiegervater nahm Zucker zum Tee. »Nein, danke, Liebling.«
Sie sah Bernard an. Sie liebte ihn sehr.
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