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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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köstlich.«
    »Und ein bißchen westfälischer Schinken als Vorspeise?«
    Ihre Zustimmung voraussetzend, legte er die Speisekarte beiseite und nahm eilig die modische Brille ab, die er zum Lesen brauchte. Er war eitel genug, sie ungern zu tragen, aber

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    er vertrug keine Kontaktlinsen.
    »Perfekt.« Keiner von beiden interessierte sich auch nur hinreichend für das Essen, um die ganze Speisekarte durchzulesen. Wie wohltuend, dachte Fiona. Bernard konnte sich nie in ein Restaurant setzen, ohne den Kellner über alle Einzelheiten der Zubereitung ins Kreuzverhör zu nehmen.
    Noch schlimmer war, daß er Fiona immer wieder dazu überreden wollte, Sachen wie geräucherten Aal oder Zunge zu probieren oder – wie hieß doch gleich dieses andere Leibgericht von ihm? – marinierten Hering. »Wie gefällt es Ihnen in Berlin?« fragte Bret.
    »Immerhin ist ja auch Bernard hier.«
    »Ja, richtig. Seine Mutter ist nach England zurück, um die Kinder zu hüten, nicht wahr?«
    »Ja, das war sehr nett von ihr, aber die Kinder fehlen mir schrecklich«, sagte sie.
    Eine Schinkenplatte wurde gebracht, garniert mit Tomaten und Gürkchen, und sehr umständlich offerierte ihnen der Kellner ein Sortiment von Brötchen und drei verschiedenen Sorten Senf. Als er gegangen war, sagte sie: »Im Grunde meiner Seele bin ich eigentlich Hausfrau.« Sie schmierte Butter auf ihr Schwarzbrot, beobachtete aber, wie Bret die Erklärung aufnahm. Vor genau einer Woche war sie zu dem Entschluß gekommen, daß sie dieses wahnwitzige Projekt, zum KGB
    überzulaufen und da die Superspionin zu machen, nicht würde durchstehen können. Fiona war ihr Leben zu kompliziert geworden. Die geheimen Treffen mit Martin Euan Pryce-Hughes waren nicht allzu anstrengend gewesen. Sie war in Reserve, sie trafen sich selten. Der Einsatz verschaffte ihr die Befriedigung, ihrem Land und dem Department zu dienen, ohne daß viel von ihr gefordert wurde. Und dann kam Bret Rensselaer mit der Bombe an, daß der Premierminister den D.G. beauftragt hatte, langfristig zu planen, jemanden in die höchsten Ränge des gegnerischen Nachrichtendienstes

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    einzuschleusen … Natürlich hielt sie es nicht für ausgeschlossen, daß Bret bei seiner Darstellung des Vorgangs übertrieben hatte, insbesondere da sie nun sah, wieviel Prestige
    – und auch Stolz – Bret aus der Mission zuwuchs, für die man sie vorgesehen hatte.
    Vielleicht hätte sie die geheimen Treffen mit Martin und Bret auch noch durchstehen können, zumal Bret anfänglich so viel Verständnis und Mitgefühl für die Belastung, die dieses Doppelleben mit sich brachte, gezeigt hatte. Aber mit dem vollkommen unerwarteten Coup de foudre, der sie nach der zufälligen Begegnung mit Harry Kennedy umgeschmissen hatte, war das Maß voll. Und während die Treffen mit Martin und Bret nur selten notwendig wurden, kurzfristig und ohne Angabe von Gründen, und ohne daß sie deswegen Vorwürfe hätte befürchten müssen, abgesagt werden konnten, handelte es sich bei den Treffen mit Harry um etwas ganz anderes.
    Manchmal quälte sie das Verlangen, ihn zu sehen. An Tagen, an denen sie ein Treffen verabredet hatten, beschäftigte sie die Erwartung des Wiedersehens so, daß sie kaum an etwas anderes denken konnte. Es war erstaunlich, daß niemand –
    weder Bernard noch Bret, noch ihre Schwester Tessa – etwas von dem in ihr tobenden Aufruhr wahrgenommen hatte.
    Jedenfalls mußte jetzt Schluß damit sein. Kein Martin mehr, kein Bret und auch kein Harry. Sie erwog sogar, beim Department zu kündigen. Wenn Bret Miene machte, sie zu hindern, sich von dem Projekt zurückzuziehen, würde sie genau das tun. Sie hatte genug Geld von ihrem Vater, es sich leisten zu können, sie alle zum Teufel zu schicken. Bret würde räsonieren, winseln und vielleicht brüllen, aber sie hatte nur dieses eine Leben, und was sie damit machte, sollte ihre Sache sein. Wenn eine Frau in die Dreißiger kommt, fängt sie an, sich gewisse bohrende Fragen zu stellen. Was fing sie an mit ihrem Leben, das wichtiger war, als ein richtiges Heim zu haben und sich um Mann und Kinder zu kümmern? Wie hatte sie je

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    erwägen können, sich auf so lange Zeit von ihrer Familie zu trennen? Sollten sie einen anderen Agenten in den Osten schicken. Sicherlich gab es Dutzende, die nur darauf brannten, sich mit einer solchen Operation einen Namen zu machen. Sie tat das nicht.
    Sie aß etwas Schinken und ein Stück von dem warmen Brötchen. Da Bret nichts gesagt

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