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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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… Jung und sexy und dominant, genau, was ich damals brauchte, nehme ich an. Er verbrachte seinen Urlaub in England bei Bekannten von mir.«
    »Und er hat Sie nach Berlin mitgenommen?«
    »Ich war seit meinem achtzehnten Lebensjahr in der Partei, also konnte ich ja wohl nicht gut nach Hollywood gehen. Und der Mann meiner Träume hatte Freunde in den DEFA-Studios in Babelsberg. Babelsberg, dachte ich, die UFA: Josef von Sternberg, Emil Jannings, Greta Garbo, Marlene Dietrich.
    Mann! Und nun garantierte mir mein Traumprinz, daß es da haufenweise Rollen für mich geben würde.«
    »Und gab’s die?«
    »Ich weiß nicht. Ich bin gleich schwanger geworden, deshalb habe ich mich nach ein paar Eintagsjobs, wo ich Engländerinnen und Amerikanerinnen für das Fernsehen spielte, nach anderer Arbeit umgesehen. Ich habe scheußliche kleine Übersetzungsjobs für verschiedene Regierungsbehörden gemacht, Reisewerbung und solches Zeug. Und dann starb mein Mann.«
    »Ach, das tut mir aber leid. Was hat Ihr Mann denn gemacht?«
    »Er betrank sich, bis er nicht mehr auf den Füßen stehen konnte.«
    »Oh«, sagte Fiona.
    »Der kleine Klaus kam zur Welt. Ich kam zurecht. Ich hatte die Wohnung und kriegte eine anständige Pension. Vermutlich ist die DDR das beste Land für eine Witwe mit einem Baby.«
    »Gut möglich.«
    »Sind Sie verheiratet?«
    »Ich habe meinen Mann verlassen, um hierher zu kommen«, sagte Fiona. Das war inzwischen ihre Standardantwort auf solche Fragen, aber es tat ihr immer noch weh, das zu sagen.
    Jedesmal sah sie vor ihrem geistigen Auge Bernard und die

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    beiden Kinder am Tisch bei einem Essen aus der Tiefkühltruhe, an jenem Abend, als sie Henry Kennedy kennengelernt hatte.
    Wie sie sich jetzt nach ihnen sehnte.
    »Ja, Hubert hat mir erzählt, daß Sie alles ihren Überzeugungen geopfert haben. Das war wunderbar von Ihnen.
    Ihr Parfüm ist himmlisch. Manchmal denke ich, daß mir nur ein gutes Parfüm und Make-up fehlen. Was ist es, wenn Sie die Frage gestatten?«
    »Aber ja. Arpege. Ich habe mich noch nicht zu einem von den neueren bekehren lassen. War Ihr Mann mit Renns verwandt?«
    »Arpege, natürlich. Hubert ist der Pate des kleinen Klaus.«
    »Ach so.«
    »Natürlich kein Taufpate. Diese Ersatzeinrichtung, die es hier gibt.«
    »Namensgebung«, sagte Fiona. Das war die weltliche Zeremonie, die das kommunistische Regime befürwortete. »Ihr Deutsch ist phantastisch«, sagte Miranda. »Witzig, daß Sie das wissen. Ich wünschte, mein Deutsch wäre halb so gut wie Ihres. Wenn ich Sie so schwatzen höre, beneide ich Sie.«
    »Ihr Deutsch schien mir aber sehr gut zu sein«, sagte Fiona.
    »Ich spreche es sehr fließend, aber ich verstehe selber nur die Hälfte von dem, was ich sage.« Sie lachte. »Wahrscheinlich hat damit mein ganzes Unglück überhaupt angefangen.« In diesem Augenblick erhob sich Huberts Bruder Felix, um einen Trinkspruch anzubringen. Der Sekt wurde eingeschenkt und der Kuchen angeschnitten. Kuchen sind für die
    deutschsprachigen Völker, was Soufflés, Spaghetti und geräucherter Lachs für ihre europäischen Nachbarn sind.
    Hubert Remis Geburtstagskuchen widersprach dieser Doktrin in keiner Weise. Der wunderschön dekorierte, viellagige Kuchen war so groß, daß selbst eine dünne Scheibe davon für Fiona zuviel war. Felix, ein großer, knochiger Kerl mit kurzgeschnittenem Bart, erwies sich als guter Redner und

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    amüsierte die Gesellschaft fünf Minuten lang, ehe er auf das Wohl seines Bruders trank. Als sie nach dem Ende der Feier ins Freie traten, schien hell der Mond. Ein leichter Wind bewegte die Bäume, und bis auf ein fernes Flugzeug war alles still. Felix Renn sagte, das sei die Nachtmaschine von Berlin nach Warschau. Angebote, sie im Wagen mitzunehmen, lehnte Fiona ab und ging zu Fuß zur S-Bahnstation Grünau. Zu Fuß gehen konnte man gut in Berlin, das entschädigte für das Leben in dieser seltsamen Stadt. Eine Frau konnte allein durch diese leeren Straßen gehen, ohne fürchten zu müssen, belästigt oder angegriffen zu werden. Und sogar hier in der Nähe des Zentrums der Hauptstadt war es grün und ländlich.
    So allein in einer fremden Stadt zu leben war Fiona nicht gut bekommen. Noch immer redete sie sich ein, daß ihr dieses Leben eine noch nie dagewesene Chance gab, ihre Gedanken zu ordnen. Tatsächlich hatte inzwischen die Einsamkeit sie schon wiederholt in schwere Depressionen getrieben; düstere und krankhafte Stimmungen, nicht jene leicht

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