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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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anwesend. Er war etwa fünfzig Jahre alt und wog über zwei Zentner. Seine Statur war die eines amerikanischen Fußballspielers. Sein Haar war kurz geschnitten, und seine Augen saßen ein wenig zu dicht an der zerquetschten Nase, die seinem großen Kopf ein Aussehen gab, als habe man diesen so lange als Kegelkugel verwendet, bis alle Vorsprünge abgebrochen waren, und dann ohne Hals auf die Schultern

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    gepflanzt. Still in einer Ecke saß Erich Stinnes, ein drahtiger Mann mit spitzem Gesicht, durch dessen sich lichtendes Haar schon die Kopfhaut glänzte, und las ab und zu etwas in einem Buch nach. Eine Brille mit rein zweckmäßigem Metallrahmen, ein brauner Kordsamtanzug und schwere Stiefel vereinigten sich zu einem Kostüm, wie es gutbezahlte Kommunisten manchmal unwiderstehlich finden.
    Stinnes gegenüber saß eine hochgewachsene, lebhafte Jamaikanerin, Ende Zwanzig. Ihr imitierter
    Leopardenfellmantel lag über einem Stuhl, und sie trug einen weißen Pullover und rote Hosen. Sie spielte mit einem roten Apfel, den sie auf dem Tisch von einer Hand in die andere rollte. Miranda betrachtete das schwarze Mädchen; ganz abgesehen von ihrer Kleidung und ihrem Make-up, verriet ihr Gebaren einem auf den ersten Blick, daß sie aus dem Westen kam.
    Moskwin starrte Miranda an und sagte in dem ungeduldigen Ton, der den unterdrückten Zorn verriet, der ständig in ihm kochte: »Erzählen Sie mir von ihr.« Seine Stimme war rauh wie die eines Mannes, der zuviel schreit.
    »Ich habe Ihnen schon alles gesagt«, sagte Miranda leise.
    Sie stand am anderen Ende des Tisches. Sie weigerte sich, Platz zu nehmen, und war entschlossen, sich nicht einschüchtern zu lassen. Russen dieses Typs kannte sie schon, eine Menge.
    »Erzählen Sie’s mir noch mal, verdammt.« Er ging und betrachtete das Gemälde, das einen Diskuswerfer zeigte, ohne etwas davon wahrzunehmen.
    Miranda sprach seinen Rücken an. »Frau Samson ist ungefähr einen Zoll größer als ich. Sie hat längere Beine.«
    Ohne sich umzudrehen, sagte er: »Darauf kommt es nicht an.«
    »Sie haben keine Ahnung«, sagte Miranda verächtlich, nun, da sie vom festen Boden ihrer Sachkenntnis aus mit ihm reden

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    konnte. »Wenn ich ihren Gang nachahmen soll, kommt es sehr wohl darauf an.«
    Das schwarze Mädchen biß geräuschvoll in ihren Apfel.
    Moskwin funkelte sie an. Sie lächelte. Moskwin wußte, daß ihn niemand mochte. In solcher Feindseligkeit war er aufgewachsen; doch das hatte ihn nie bedrückt.
    »Wir werden es so einrichten, daß Sie ihren Gang nicht werden nachahmen müssen«, sagte Moskwin, seinen Blick noch immer auf das schwarze Mädchen gerichtet. Dann wandte er sich um und heftete die Augen auf Miranda. »Können Sie ihre Stimme imitieren?«
    »Ihre Stimme ist einfach nachzuahmen«, sagte Miranda.
    Das schwarze Mädchen biß abermals in ihren Apfel.
    »Ruhe jetzt«, sagte Moskwin.
    »Ich muß essen, Kumpel«, sagte das schwarze Mädchen.
    Moskwin trat an den Tisch und schaltete ein Tonbandgerät an.
    Man hörte Fionas Stimme: »Ein hübscher Name.« (Pause)
    »Waren Sie Schauspielerin in England?« (Pause) »Und er hat Sie nach Berlin mitgenommen?« (Pause) »Ach, das tut mir aber leid.« (Pause). »Was hat Ihr Mann denn gemacht?«
    Moskwin schaltete das Gerät ab. »Jetzt Sie«, sagte er. Miranda zögerte nur einen Augenblick und rezitierte dann, in steifer und förmlicher Haltung, die Hände übereinander gelegt, als wollte sie ein Kunstlied zum Vortrag bringen, die Worte des Tonbands: »Ein hübscher Name.« Sie holte Atem. »Waren Sie Schauspielerin in England?« Sie befeuchtete sich die Lippen und sprach dann, nun vollkommen entspannt, die letzten drei Sätze ohne Pause. »Und er hat Sie nach Berlin mitgenommen?
    Ach, das tut mir aber leid. Was hat Ihr Mann denn gemacht?«
    Dann lächelte sie. Es war eine bemerkenswerte Leistung, und sie wußte das. Die Fähigkeit, Stimmen zu imitieren, hatte sie schon immer gehabt. Manchmal ertappte sie sich dabei, die Stimmen der Leute nachzuahmen, mit denen sie gerade sprach.
    »Gut«, sagte Moskwin.

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    »Beachtlich«, sagte Stinnes. Das schwarze Mädchen klatschte sehr leise in die Hände. Miranda versuchte noch zu ergründen, ob das Mädchen gegen sie alle oder nur gegen Moskwin was hatte.
    »Aber werden Sie es können, ohne Stichworte vom Tonband?«
    »Ich müßte sie natürlich noch mal treffen.«
    »Dafür wird gesorgt, und wir werden Ihnen
    Tonbandaufnahmen in Hülle und Fülle

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