Gelinkt
Verachtung an. Einschüchterung war eine seiner Arbeitsmethoden. Inzwischen durchschaute sie ihn. Sie hatte schon eine Menge Männer seines Schlages gekannt. Es gab solche in Oxford: rauhe Sportlertypen, denen ihre körperliche Kraft ständig bewußt war und die eigene latente Gewalttätigkeit Genuß bereitete.
»Ich kenne Volkmann«, sagte sie. »Schon seit Jahren. Natürlich arbeitet er für SIS Berlin. SIS London desgleichen.«
»Und doch haben Sie deswegen nichts unternommen?« Moskwin sah sie verächtlich an.
»Noch nicht«, sagte Fiona.
»Noch nicht«, sagte er. »Na, dann wollen wir jetzt mal was machen, finden Sie nicht?« Er zeigte sich leutselig, lächelte, wie Tyrannen kleine Kinder anlächeln. »Reden wir doch mal mit Volkmann … Jagen ihm vielleicht einen kleinen Schrecken ein.«
»Wie?«
»Sie könnten was lernen dabei, Frau Samson. Man hat ihm nicht gesagt, daß er gegen Major Stinnes ausgetauscht wird. Wir müssen ihn ordentlich schwitzen lassen.«
»Volkmann verdient sein Geld mit Geschäften in unserer Republik. Er ist auf den Verdienst angewiesen. Vielleicht kann man ihn überreden, für uns zu arbeiten.«
Moskwin musterte sie. »Weshalb sollte er das tun?«
»Er ist dauernd zwischen Ost und West unterwegs. Deshalb war er ja so leicht zu verhaften. Weshalb sollte er uns nicht erzählen, was da drüben passiert?«
»Könnten Sie das tun?«
»Ich könnte es versuchen. Sie sagen, daß er in Babelsberg in Haft ist?«
»Sie werden einen Wagen brauchen.«
»Ich werde selbst fahren.«
»Bringen Sie ihn mit hierher. Ich will auch mit ihm reden«, sagte Moskwin.
Sie lächelte ihn kalt an. »Natürlich, Oberst Moskwin. Aber wenn wir ihn zu sehr ängstigen, wird er nicht zurückkommen.« Das war schon vorgekommen: Agenten, die in den Westen geschickt wurden und einem dann von da aus eine lange Nase drehten.
»Er hat keine Verwandten hier, nicht wahr?«
»Er wird schon für uns arbeiten, Oberst Moskwin. Er ist der Typ, der einem schönen Geheimnis nicht widerstehen kann.«
Nun, da sie in Moskwin den ihr aus Oxford vertrauten Typ des eitlen Rauhbeins erkannt hatte, erinnerte sie sich ihrer Studienzeit. Schreckliche Zeit. Was gut daran gewesen war, war vergessen. Sie rief sich die Männer, die sie kennengelernt hatte, ins Gedächtnis und diese langen Abende in der Stadt, an denen sie mit ansehen mußte, wie sich rüpelhafte junge Studenten vollaufen ließen und lächerlich machten. Immer darauf erpicht, ihren Kommilitoninnen das Gefühl zu vermitteln, einer niederen Art anzugehören. Jungens mit latent homosexuellen Neigungen, wirklich glücklich nur in männlicher Gesellschaft, wenn sie untergehakt und grölend irgendwohin taumelten, wo sie an die Wand pissen konnten.
Sie fuhr nach Babelsberg im Südwesten Berlins, um Werner Volkmann abzuholen. Auf der Vogelfluglinie wäre der Weg nicht weit gewesen, aber der Vogel fliegt über die Westsektoren der Stadt, gute Kommunisten aber müssen außen um West-Berlin herumfahren. Babelsberg lag nicht mehr auf dem Stadtgebiet von Berlin, gehörte zu Potsdam. Die westlichen »Schutzmächte« hatten dort auch nach dem eigenen Verständnis ihrer Befugnisse nichts zu suchen. Volkmann saß im Ausland-Block, in dessen Gebäuden einst der Verwaltungsapparat der UFA-Filmateliers untergebracht gewesen war.
Hinter dem leeren Gebäude der Filmbibliothek und den Werkstätten war in einem ehemaligen Atelier für Außenaufnahmen noch eine Rokoko-Dorfstraße zu sehen, die einst für den während des Krieges gedrehten MünchhausenFilm gebaut worden war. »Das war einmal Marlene Dietrichs Garderobe«, sagte der schon betagte Polizist, der sie zum Sprechzimmer führte. Dabei zeigte er auf einen Abstellraum mit einem Vorhängeschloß an der Tür.
»Ja«, sagte Fiona. Der gleiche Polizist hatte bei ihrem letzten Besuch hier das gleiche gesagt. Im Sprechzimmer gab es ein vergittertes Fenster, durch das sie in den mit Kopfsteinen gepflasterten Hof hinabsehen konnte, wo sie ihren Wagen geparkt hatte.
»Soll ich den Häftling vorführen?«
»Bitte.«
Werner Volkmann sah verwirrt drein, als er hereingeführt wurde. Man hatte ihm die Hände mit Handschellen auf den Rücken gefesselt. Er trug einen abgestoßenen Ledermantel, auf dem Streifen weißer Lackfarbe waren. Sein Haar stand zu Berge, und er war unrasiert. »Erkennen Sie mich, Werner?«
»Natürlich erkenne ich Sie, Frau Samson.« Er war zornig und verstockt.
»Ich nehme Sie jetzt mit in mein Büro an der KarlLiebknecht-Straße. Muß ich Sie
Weitere Kostenlose Bücher