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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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von einem bewaffneten Polizisten bewachen lassen?«
»Ich werde nicht weglaufen, falls Sie das wissen wollen.« »Hat man Ihnen gesagt, was Ihnen vorgeworfen wird?«
»Ich verlange einen Anwalt, einen Anwalt aus dem Westen.«
»Das ist doch albern, Werner.«
»Wieso?«
Es war erstaunlich, daß Werner, ein Deutscher, der regelmäßig die DDR besuchte, noch immer nicht verstand. Nun, vielleicht war es das Beste, ihm erst mal beizubringen, was er gegen sich hatte. »Wir sind hier in der DDR, Werner, und wir schreiben 1984. Wir haben ein sozialistisches System. Das Volk …«
»Die Regierung.«
»Das Volk«, wiederholte sie, »hat nicht nur die Leitung der Politik und der Wirtschaft, sondern kontrolliert auch die Gerichtshöfe, die Anwälte und Richter. Das Volk bestimmt über Zeitungen, Jugendverbände, Frauenvereine, Schachklubs und Schrebergärten. Das Privileg, Bücher zu schreiben, Briefmarken zu sammeln, Opern zu singen oder am Schraubstock zu arbeiten – irgendwo überhaupt zu arbeiten –, kann jedem jederzeit entzogen werden.«
»Ich soll also keinen Anwalt aus dem Westen verlangen?«
»Sie sollen keinen Anwalt aus dem Westen verlangen«, stimmte Fiona ihm zu. »Sie werden auf dem Rücksitz Platz nehmen. Die Handschellen kann ich Ihnen nicht abnehmen. Ich darf nicht einmal den Schlüssel bei mir haben. Das ist Vorschrift.«
»Kann ich mich waschen und rasieren?«
»Wenn wir in Berlin sind. Haben Sie hier noch irgendwelches persönliches Eigentum?« Werner zuckte die Achseln und antwortete nicht.
»Gehen wir.«
»Warum Sie?« sagte Werner, als sie über das Kopfsteinpflaster des Hofs zu dem geparkten Wartburg gingen.
»Machtpolitik«, sagte Fiona. Das bedeutete Verhandlungen unter Gewaltandrohung und war ein Wort, das nur die Deutschen hatten.
Keiner von den längst verstorbenen Stadtbeamten, die den seltsamen Verlauf der alten Ortsgrenzen zeichneten, hätte ahnen können, daß Berlin eines Tages wirklich entsprechend dieser Grenzen definiert und geteilt werden würde. Das weit nach Süden vorgeschobene Lichtenrade, wo die S-Bahnstrecke, die früher bis Rangsdorf reichte, heute endet und wo Mozart, Beethoven und Brahms Straßen sind, die an der Mauer aufhören, war ein Hindernis, das Fiona auf dem Rückweg in ihr Büro nach Berlin-Mitte umfahren mußte.
Man fuhr normalerweise auf der Hauptstraße durch Mahlow, aber Fiona nahm Seitenstraßen, auf denen sie vielleicht ein paar Minuten schneller ans Ziel hätte kommen können, wenn sie nicht jenseits von Ziethen in ein verschlafenes Wohnviertel abgebogen wäre. Hier war eine Vorkriegsgartenstadt über die Stadtgrenze hinaus auf das heutige Gebiet der DDR gewachsen. Die von Bäumen gesäumten Straßen dieser auf drei Seiten von der Mauer – hinter der West-Berlin lag – begrenzten Gegend waren menschenleer.
»Werner«, sagte Fiona, als sie unter den Bäumen eines kleinen öffentlichen Parkplatzes anhielt und den Motor abstellte. Sie sah sich nach ihm um. »Sie sind nur eine Karte in einem Poker-Spiel. Das werden Sie ja wissen.«
»Was passiert einer Karte in einem Poker-Spiel?« fragte Werner.
»Am Ende des Spiels wird sie mit den anderen gemischt und weggelegt, bis zum nächsten Spiel.«
»Tut das weh?«
»In ein paar Tagen werden Sie wieder in West-Berlin sein. Das verspreche ich Ihnen.«
Sehr langsam kam ein Wagen die Straße entlang. Er fuhr an ihnen vorbei und hielt etwa hundert Meter weiter. Werner sagte nichts und Fiona ebensowenig. Der Wagen wendete, als wollte er wieder zurückfahren, hielt dann aber an und fuhr rückwärts. Schließlich fuhr er wieder an ihnen vorbei und bog an einem Straßenschild ab, das nach Selchow wies. »Das war ein Fahrschüler«, sagte Fiona.
»Warum erzählen Sie mir das?« sagte Werner. Der Wagen hatte ihn nervös gemacht.
»Ich möchte, daß Sie eine Botschaft für mich bestellen.«
»Eine schriftliche Botschaft?«
Der gute alte Werner. So einfältig war er also nicht. »Nein, Werner, eine mündliche Botschaft.«
»An Bernard?«
»Nein. Im Gegenteil. Sie müssen mir versprechen, daß Bernard nichts davon erfährt.«
»Was wird denn hier gespielt?«
»Sie kommen doch ziemlich regelmäßig her, Werner. Sie wären der perfekte Mittelsmann.«
»Bitten Sie mich, für Moskau zu arbeiten?«
»Nein.«
»Aha.« Werner lehnte sich zurück, was wegen der ihm auf den Rücken gefesselten Hände unbequem war. Nach einigem Überlegen lächelte er sie an. »Aber wie kann ich sicher sein?« Das Lächeln war sorgenvoll.
»Wegen der Handschellen

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