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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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Fragen aushalten.«
»Nichts? Nicht einmal die Liebe?«
»Mach dich nicht lustig über mich.« Sie waren jetzt nahe dem Ufer. Alles Wald, kein Mensch weit und breit. »Fertig zum Halsen«, sagte Harry in der tonlosen Stimme, deren er sich bei nautischen Kommandos bediente.
Mit vorsichtigen Schritten ging sie nach vorn, löste das Bugsegel und paßte auf, wie er das Ruder herumwarf. Als sie durch den Wind drehten, schlug der Baum über das Deck, und instinktiv zog sie den Kopf ein. Sie zog den Klüver ein und setzte das Bugsegel, ehe sie nach hinten auf ihren Sitzplatz zurückkehrte. »Spielst du niemals ›Tun wir so, als ob‹?« fragte er, während er sich wieder hinsetzte. Auch das war einer seiner kindischen Züge. Auch das Fliegen war kindisch. Vielleicht war er sogar aus Abenteuerlust in die Kommunistische Partei eingetreten.
»Nein«, sagte sie.
»Ich schon. Wie wir hier sitzen, nur wir beide allein im Boot, und über den Müggelsee segeln, tue ich so, als wärst du eine verführerische Mata Hari und ich der von dir verzauberte heroische junge Bursche, der gekommen ist, dich zu retten.«
Sie sagte nichts. Die Richtung dieser Unterhaltung behagte ihr überhaupt nicht, aber es war besser abzuwarten, worauf er hinauswollte.
»Von finster gesinnten Bösewichten verfolgt, verheißt das andere Ufer Sicherheit. Ein Ort, wo wir in ewigem Glück wohnen und unsere Familie gründen können.«
»Klingt wie In einem anderen Land«, sagte Fiona, ohne allzu viel Begeisterung für die Vorstellung zu bekunden.
»Hast du das gelesen?«
»Sie rudern über einen See in die Schweiz. Hemingway. Ja. In der Schule. Vielleicht habe ich’s daher.«
»Die Frau stirbt«, sagte Fiona. »Sie erreichen die Schweiz, aber die Frau stirbt im Krankenhaus.« Sie drehte sich um und sah ihn an. Er sah so elend aus, daß sie fast gelacht hätte.
»Mach keine Witze«, sagte er. »Alles ist vollkommen.« Sie umarmte ihn zur Beruhigung.
Ja, für Harry war alles vollkommen gewesen. Für ihn war es einfach. Aber Fiona war ziemlich am Ende ihrer Kräfte. Sie war verzweifelt, deprimiert, selbst hier draußen auf dem See mit einem Mann, der sie liebte. Depressionen hatte sie herausgefunden, nahmen keine Rücksicht auf logische Wahrheit. Sie waren wie eine dunkle chemische Wolke, die unversehens auf sie herabsank und sie in eine gallertartige Masse verwandelte. Es half nichts, sich einzureden, es sei Unsinn. Sie hatte ihre Kinder und ihre Ehe aufgegeben. War es also paranoid anzunehmen, daß Bernard die Kinder inzwischen gelehrt hatte, sie zu hassen? Sie war ihnen weggelaufen, diese Verstoßung mußte sie verletzt haben. Wie konnte sie hoffen, wieder Frau und Mutter zu werden?
Die Kinder waren das schrecklichste Opfer, das sie gebracht hatte, aber es gab noch andere Wunden. Sie hatte Freunde und Verwandte verloren, die sie jetzt als Verräterin verachteten. Und wofür das alles? Sie war außerstande, die Ergebnisse ihrer Tätigkeit, ihren Beitrag einzuschätzen. Langsam war ihr der Verdacht gekommen, daß sie das auf dem Altar von Bret Rensselaers Ehrgeiz geopferte Lamm war. Brets Wunden waren körperlich, sein Ansehen war unbeschädigt. Bret Rensselaer war der Gewinner. Silas und der D.G. desgleichen. Drei alte Männer hatten sie hierher geschickt, und diese drei würden die Sieger sein. Was kümmerte sie diese Herren? Sie war ersetzbar, so nützlich und ebenso schnell weggeworfen wie ein Papiertaschentuch.
Fiona war die Verliererin. Fiona, ihr Mann und ihre Kinder. Sie würden sich nie von dem erholen, was sie getan hatte. Gab es irgendeinen politischen oder, wie Bret es lieber gehabt hätte, wirtschaftlichen Sieg, der das wert war? Die Antwort war: nein. Manchmal war sie versucht, wenigstens das bißchen zu retten, was ihr noch blieb. Versucht, die Chance eines glücklichen Lebens mit Harry zu ergreifen, versucht, ihre Londoner Bindungen aufzugeben und sich als einfache Hausfrau in Ost-Berlin einzuleben. Aber das half nur auf kurze Zeit. Der wirkliche Verlust waren Bernard und die Kinder. Von ihnen wollte sie geliebt und gebraucht werden.
»An was denkst du?« fragte Harry.
»Ich dachte an mein Haar«, sagte sie. »Vielleicht sollte ich’s mir kürzer schneiden lassen.« Männer nahmen einem immer ab, daß Frauen an ihr Haar dachten.
Er lächelte und nickte. In der letzten Zeit schien sie ziemlich gealtert zu sein; beide waren sie’s. Ein Urlaub im Donaudelta würde ihnen beiden guttun.
An diesem Abend traf sie sich mit Werner Volkmann. Sie wartete

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