Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
Vom Netzwerk:
sorgfältig auf einen Untersetzer. »Der Hals-Nasen-Ohren-Mann hat es geerbt. Seine Eltern waren Flüchtlinge aus Wien. Ärzte. Sie sind rechtzeitig abgehauen und konnten noch ihre Möbel mitnehmen. Ich mußte auf Eid versprechen, niemals CocaCola-Gläser auf die polierten Tische zu stellen und nicht zu rauchen. Wenn er dort bleibt, wird er die Sachen nach New York verfrachten.«
»Mir gefallen sie.«
»Er ist ein gefühlvoller Bursche. Na ja, ich nehme an, das Zeug ist schon okay, aber mir sind Sachen lieber, die mich irgendwie persönlich ansprechen. Hier, nehmen Sie was davon.« Er wies auf das Käsegebäck, das in einer Schachtel lag, deren Deckel mit dem Bild eines alten Rheindampfers geschmückt war.
»Ich bin nicht hungrig.«
»Würde es Ihnen helfen, darüber zu reden?«
»Nein, ich glaube nicht.«
»Sie sind eine schöne Frau, Mrs. Samson. Ihr Mann ist zu beneiden.« Das sagte er ganz sachlich, ohne jede Verlegenheit. Kein Engländer, den sie je getroffen hatte, hätte ein solches Kompliment ohne Angeberei und ohne Verlegenheit zustande gebracht.
»Ich bin auch zu beneiden«, sagte sie ruhig. Sie wünschte, er würde sie nicht so ansehen. Ihr Haar war total durcheinander, und sie hatte rote Augen.
»Das will ich meinen. Ist Ihr Cocktail so richtig? Zuviel Gin?«
»Nein, er ist genau, wie ich ihn mag.« Sie trank etwas davon, um ihm zu zeigen, daß sie die Wahrheit sprach. Sie war unruhig. Nach ein paar Minuten plätschernder Konversation – Kennedy hatte erst kürzlich die Oper für sich entdeckt – sagte sie: » Könnten Sie mir vielleicht ein Taxi rufen? Zu dieser Tageszeit dauert’s manchmal ewig, bis eins kommt.«
»Ich fahre Sie.«
»Sie müssen doch auf den Anruf der Polizei warten.«
»Da haben Sie recht. Aber müssen Sie schon gehen?«
»Ja, ich muß.«
»Könnte ich Sie wiedersehen?«
»Das wäre weniger klug.«
»Ich muß nächste Woche eine Cessna nach Nizza fliegen – Freitag, vielleicht auch Samstag – und dort einen Learjet abholen. Ein hübscher Job, wie er nur selten vorkommt. An der Straße, nur zwanzig Minuten vom Flughafen in Nizza, gibt es ein wirklich gutes Restaurant. Spätestens um sechs Uhr abends wären Sie wieder im Zentrum von London. Sagen Sie nicht gleich nein. Vielleicht würden Sie auch gern Ihren Mann mitbringen oder Ihre Kinder. Die Cessna ist ein Viersitzer.«
»Ich glaube nicht.«
»Überlegen Sie sich’s trotzdem. Die Abwechslung würde Ihnen bestimmt guttun.«
»Ist das eine ärztliche Diagnose?«
»Allerdings.«
»Das will ich doch nicht hoffen.«
»Lassen Sie mich Ihnen jedenfalls meine Telefonnummer geben«, sagte Kennedy. Ohne eine Antwort abzuwarten, gab er ihr eine gedruckte Karte. »Dies lausige Wetter wird bestimmt noch eine Weile anhalten, und vielleicht kriegen Sie ja doch Lust auf ein bißchen Rivierasonne.« Sie las die Karte: Dr. H. R. Kennedy, dazu die Adresse in Maida Vale und eine Telefonnummer. »Habe ich letzte Woche bei einer dieser kleinen Klitschen drucken lassen. Ich wollte Patienten hierher bestellen, aber das habe ich mir dann doch anders überlegt.«
»Aha.«
»Ja, das wäre gegen meinen Mietvertrag gewesen, und ich mußte damit rechnen, Ärger zu kriegen, wenn meine Patienten den Parkplatz benutzten.« Er ging ans Telefon und bestellte ein Taxi. »Sie kommen gewöhnlich sofort«, sagte er. »Ich habe ein Konto bei ihnen.« Dann fügte er gedankenvoll hinzu: »Und wenn ich meine Patienten hierher bestellt hätte, hätte ich vielleicht bald darauf auch die Einwanderungsbehörde auf dem Hals gehabt.«
»Ich hoffe, Ihre Nichte kommt bald wieder.«
»Die wird sich schon wieder einkriegen.«
»Kennen Sie den Mann, mit dem Sie zusammen ist?« Kennedy zögerte. »Ein Patient. Aus der Klinik. Er hat ihre Bekanntschaft gemacht, als sie eines Nachmittags dort auf mich wartete.«
»Oh.«
»Er neigt zur Gewalttätigkeit. Deshalb war die Polizei gleich so hilfsbereit.«
»Ich verstehe.«
»Sie haben mir geholfen, Mrs. Samson. Und ich weiß es wirklich zu schätzen, daß Sie mir Gesellschaft geleistet haben.« Das Telefon klingelte, um anzukündigen, daß das Taxi schon vor der Haustür stand. Er half ihr in den Mantel, wobei er darauf achtete, ihr langes Haar nicht unter dem Kragen einzuklemmen. »Ich würde Ihnen gern behilflich sein«, sagte er. Er nahm förmlich von ihr Abschied und ergriff dabei ihre Hand.
»Ich brauche keine Hilfe.«
»Sie gehen auf Bahnhöfe, um Ihr Unglück zu verbergen. Finden Sie nicht, daß eine Ehe, wo die Frau Angst hat, in

Weitere Kostenlose Bücher