Gelinkt
Mami?« sagte ihr Bruder.
Das Kindermädchen, das zweifellos das »köstliche, fertig zubereitete Bauernmahl« besorgt hatte, sah verlegen drein. Fiona sagte: »Ach, das kommt ganz darauf an.«
»Kein Fleisch«, sagte Billy, als wäre das eine Empfehlung. »Nur Soße und Nudeln.« Er rührte mit dem Löffel in dem Rest, um es ihr zu zeigen.
»Es ist sehr salzig«, sagte Sally. »Ich mag es nicht.« Das Kindermädchen nahm Billy den Löffel weg und holte Tasse und Untertasse für Fiona, um ihr Tee einzuschenken. Fiona legte Hut und Mantel ab. Dann nahm sie ein Stück Küchenpapier, um zu sehen, ob’s noch möglich wäre, den Soßenfleck von dem seidenen Kissenbezug zu entfernen. Sie wußte, daß sie damit die gemütliche Atmosphäre, in die sie eingedrungen war, restlos verderben würde, aber sie konnte sich einfach nicht hinsetzen und lachen und reden und den Fleck Fleck sein lassen. Sie konnte es nicht. Vielleicht war es das, was nicht in Ordnung war mit ihr und ihrer Ehe. Ehe sie anfangen konnte, goß das Kindermädchen ihr Tee ein und begann, den Tisch abzuräumen. Bernard beugte sich vor und sagte: »Na, wer ist mein erster Fahrgast im Bummelzug nach Traumland?«
»Ich, Papa, ich!« schrien beide einstimmig. Bald war Fiona allein mit dem Soßenfleck auf dem blauen Kissen. Aus dem Obergeschoß hörte sie das aufgeregte Geschrei der Kinder, die Bernard ins Bett brachte, wobei er wie eine Lokomotive zischte und tutete.
Der liebe, liebe Bernard. Wie sehr wünschte sie, er könnte ein wunderbarer Vater sein, ohne ihr das Gefühl zu geben, daß sie als Mutter nicht viel taugte.
7
London, September 1978
Sylvester Bernstein war ein fünfzigjähriger Amerikaner. Gemeinsam mit seiner Frau wohnte er in einem viktorianischen roten Backsteinreihenhaus in Battersea. Jedes der drei Geschosse bestand aus einem kleinen Raum, Küche und Badezimmer hatte ein Vorbesitzer in den frühen siebziger Jahren nach hinten heraus angebaut. Jetzt, da hier am südlichen Ufer des Flusses Scharen von gutverdienenden jungen Ehepaaren einfielen – die entdeckt hatten, wie nahe die Gegend der Stadtmitte lag –, begann das Gesicht der Straße sich merklich zu wandeln. Es gab gelb gestrichene Haustüren und sogar rosa gestrichene mit Messingtürklopfern, und neuerdings waren unter den Autos, die eins hinter dem anderen am Straßenrand geparkt waren, kaum noch welche verrostet. Die örtlichen Vorschriften verboten die Einrichtung von Büros in dieser Wohngegend, aber Bernstein war überzeugt, daß ihm wegen des Büros, das er sich in der Dachkammer seines Hauses eingerichtet hatte – mit ein paar Schreibtischen, zwei Telefonanschlüssen und einem Telexgerät –, niemand Schwierigkeiten machen würde. Privatdetektive hielten sich ohnedies nicht viel in Büros auf: jedenfalls nicht Sylvester Bernstein.
Bernstein hatte einundzwanzig Jahre der CIA gedient. Er ließ sich pensionieren, da die Wunden an seinem Bein nicht heilen wollten. Er hatte ein Mädchen geheiratet, dem er in Saigon begegnet war, eine englische Krankenschwester, die dort für die Wohltätigkeitsorganisation Christian Aid arbeitete. Diese hatte es sich plötzlich in den Kopf gesetzt, daß sie in England leben müßten. In jener Zeit stand der Dollar noch ziemlich hoch im Kurs, so daß sie von seiner Pension in London gut leben konnten. Als dann der Dollar immer tiefer sank, war Bernstein genötigt, sich Arbeit zu suchen. Seine Beziehungen zum Grosvenor Square halfen ihm, die schwer erhältliche Arbeitserlaubnis zu kriegen, und er etablierte sich als Privatdetektiv. Die Mehrzahl seiner Kunden allerdings suchten ihn auf, weil er früher so lange bei der CIA gewesen war. Manche dieser Kunden waren noch immer in der zwielichtigen Zone der »Sicherheit«; Leute, die einen Job erledigt wissen wollten, mit dem sie selber nichts zu tun haben durften. Was Bernstein für Bret Rensselaer zu erledigen hatte, war typisch für die Aufträge, die er erhielt, und weil er Bret schon lange kannte und Bret ein anspruchsvoller Kunde war, ließ Bernstein diese Arbeit nicht von einem seiner freien Mitarbeiter ausführen, sondern nahm sich ihrer persönlich an.
Sie saßen im Erdgeschoß von Bernsteins Haus zusammen. An den Wänden hingen billige viktorianische Drucke, die Szenen der Romane von Walter Scott illustrierten. Der aufwendige Kamin hatte Kacheln mit Lilienmuster zu bieten, einen polierten Messingschirm und einen kompletten Satz Schürhaken. Auf dem eisernen Rost jedoch lagen keine Kohlen,
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