Geloescht
Regenschirm einen imaginären Schwertkampf mit einem Ast.
Wir gehen durchs Dorf bis zum FuÃweg und halten dann an. Amy und Jazz lehnen sich an die Steinmauer neben dem Pfad. »Gehen wir nicht weiter?«, erkundige ich mich.
»Doch, gleich«, sagt Amy und schaut auf ihre Uhr. Sie erzählt von ihrem Praktikum, das sie am Dienstag in der Chirurgie beginnt, und aus »gleich« werden ein paar Minuten und dann noch ein paar mehr.
»Da ist er!«, ruft Jazz plötzlich. Ich drehe mich um und sehe, dass Ben auf uns zuläuft. Er winkt.
»Ãberraschung!«, meint Amy und grinst über das ganze Gesicht.
Gestern Abend hat Mum beim Abendessen erwähnt, dass Dad sie darauf angesprochen hat, dass Ben und ich immer allein laufen gehen. Gemeinsam hätten sie dann beschlossen, dass wir das zukünftig nicht mehr tun dürften. Ich habe mich nicht dagegen gewehrt. Warum auch? Jeder Streit, den ich anfangen würde, wäre für sie nur eine Bestätigung, dass zwischen uns etwas läuft, das sich für 16-jährige, frisch entlassene Slater nicht gehört.
»Wissen Mum und Dad, dass er mitkommt?«, frage ich, bevor Ben bei uns ist.
»Nein. Willst du die Strecke laufen? Geht doch schon mal voraus, wir kommen nach.«
»Danke.« Ich umarme Amy. Sie sieht überrascht aus, doch dann drückt sie mich ebenfalls.
»Ich weiÃ, wie sich das anfühlt.« Sie denkt anscheinend, dass Ben und ich, sobald wir auÃer Sichtweite sind, genau das Gleiche machen wie sie und Jazz. Aber heute will ich â
muss ich
â laufen.
Ben und ich joggen den FuÃweg hinauf. »Nicht so schnell«, mahne ich ihn, obwohl mich meine FüÃe weiterziehen wollen, so schnell sie können. Doch ich kann nicht total verschwitzt nach Hause kommen â sonst wäre es zu offensichtlich, dass Amy und ich nicht zusammengeblieben sind.
»Warum?«, fragt er. »Normalerweise kannst du es doch kaum erwarten loszulegen.«
Ich zögere. »Ich darf nicht so aussehen, als sei ich gerannt. Ich soll eigentlich bei Amy bleiben«, erkläre ich, aber erwähne nicht, dass meine Eltern mir verboten haben, mit ihm zu laufen. Mir fällt die Entscheidung leichter, mich ihnen zu widersetzen, wenn ich sie nicht laut ausspreche.
Also joggen Ben und ich gemächlich den Weg hinauf, entlang der Hecke, der Stechpalmen und der Felder, bis wir den Baumwurzeln im Wald ausweichen müssen. Der graue Himmel scheint auf uns zu fallen, während wir immer höher laufen. Nebeltropfen kleben an meiner Kleidung und in meinen Haaren, und die Feuchtigkeit und Kälte lassen mich frieren, obwohl es nicht regnet. WeiÃer Nebel umschlieÃt uns.
Ich halte oben bei einem Baumstamm an. »Von hier aus hat man eine tolle Aussicht«, sage ich. »Man kann das ganze Dorf sehen.«
Ben stoppt ebenfalls. »Jetzt musst du mir helfen. In welche Richtung muss ich schauen?«
Ich drehe ihn in die richtige Position und er blickt den Hügel hinab, doch es sind in dem Nebel nur ein paar gröÃere Bäume als geisterhafte Schemen auszumachen. Die Felder und Häuser darunter sind nicht zu sehen.
»Ãh ja, echt beeindruckend die Aussicht.«
Ich knuffe ihn in den Arm. »Also normalerweise ist es ganz schön. Man kann sogar unseren Garten von hier aus erkennen.«
»Und jetzt?«, fragt er und fängt langsam zu lächeln an, als hätte er schon ein paar Ideen. Ideen, die meinen Magen in Aufruhr versetzen.
»Wir warten hier, bis Amy und Jazz uns eingeholt haben. Oder sollen wir wieder hinuntergehen? Vielleicht blasen sie den Spaziergang bei dem Wetter ja auch ab.«
»Lass uns noch ein bisschen warten.« Er lächelt wieder und kommt näher zu mir.
Diesmal sitze ich nicht auf einer Mauer und Ben ist so viel gröÃer als ich. Er beugt sich herab, aber anstatt hochzusehen, vergrabe ich mein Gesicht an seiner Brust. Seine Arme schlieÃen sich um mich und vertreiben die klamme Kälte.
»Das ist der Grund, warum Mum und Dad nicht mehr wollen, dass ich mit dir allein bin«, sage ich und seufze.
»Was, wirklich?«
»Ja â¦Â«
»Aber sie sehen uns ja jetzt nicht.«
»Ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt, ab jetzt zu tun, was man uns sagt, und brav zu sein. Bis wir 21 sind.«
»Fünf ganze Jahre ohne einen einzigen Kuss? Das sehe ich anders.«
Ben, der Rebell.
Zumindest was das Küssen angeht.
Ich gebe nach.
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